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Funkelnde Kurzprosa

Rainer Klis zum Tode

  • Klaus Müller
  • Lesedauer: 3 Min.

Rainer Klis veröffentlichte in der DDR Kurzgeschichten im »Magazin«. Originell, meisterhaft geschrieben, in wunderbarer, knapper Sprache. Nach der Wende schrieb er fein- und hintersinnig - humorige Geschichten für den »Eulenspiegel«, auch für das »nd«. Sie waren voll von Außenseitern und seltsame Käuzen, Gebeutelten und Scheiternden. Verzagte und Verzweifelte kamen nie vor. Dafür Alkohol und Zigarettenqualm, Indianer, manchmal ein Trapper. Wortgewaltig, elegant die Sprache, Sätze, geschliffen wie Diamanten, das Ganze, wie aus Marmor geschlagen. Wie nun bekannt wurde, ist Rainer Klis bereits am 14. Oktober verstorben.

Sein Humor war nie verletzend, schwarz manchmal, meist sanft-ironisch, freundlich, empfindsam. Friedrich Albrecht, Mentor von Rainer Klis am Institut für Literatur »Johannes R. Becher« in Leipzig, schrieb über ihn: »Sein manchmal recht abenteuerliches Habit, das er ohne jede Koketterie trug: diese großräumige, zerschlissene braune Lederjacke mit gleichgearteter Mütze etwa, diese Brotbeutel oder Hirtentäschel, aus denen er seine Manuskripte - er schrieb weitzeilig und mit steilen akkuraten Buchstaben blaue Schulzeichenhefte voll - unter Bierflaschen und Zigarettenschachteln hervorkramte, dazu sein nickelbebrilltes, von üppigem Haarwuchs umwuchertes Gesicht mit den blauen Kinderaugen. Kindlich - naiv, arglos auch sein Gemüt, kindlich die extreme Fähigkeit, sich zu freuen und zu fürchten, merkwürdig gepaart mit Schärfe des begrifflichen Denkens und einer manchmal schon rabulistischen Logik.«

Wenige haben das Glück, einem Menschen wie ihm nahe zu sein. Unvergesslich die Abende, als wir bei ihm am Feuer saßen, die Fahne von Wyoming über der Blockhütte wehte, und wir uns dachten zu den Weiten der Prärie, ins Land der Indianer. Er hat sie uns geschildert, authentisch im Gegensatz zum anderen berühmten Schriftsteller aus Hohenstein-Ernstthal.

Meist war er heiter gestimmt, manchmal besorgt und nachdenklich. Der brutale kapitalistische Literaturbetrieb zehrte an seinen Kräften. Anmerken ließ er es sich nicht, nahm sich nicht allzu ernst und konnte andere zum Lachen zu bringen und ihre Sorgen teilen, selbst wenn es ihm gerade dreckig ging.

Nun ist er eingegangen in die ewigen oder glücklichen Jagdgründe, wie seine Freunde, die Indianer, sagen. Er hätte gewollt, dass wir den Abschied leicht nehmen. Füllen wir die Gläser mit Wodka und Salz - »Wodka mit Salz« gehört zu den lustigsten der vielen genialen Geschichten, die er geschrieben hat - und stoßen an auf den großartigen Künstler, den liebenswerten Menschen und Freund. Er würde uns zuprosten mit eiskaltem, herbem Pils, seinem Lieblingsgetränk. Und sagen: Es ist genug. Er mochte keine langen Reden.

Rainer Klis war der große Meister der kleinen Form. Ihm verdanken wir eine funkelnde Kurzprosa von seltener Güte und Vielfalt, Meisterwerke in Stil und Inhalt: Kurzgeschichte, Humoreske, Satire, Groteske, Fabel, Parabel, Porträt. Seine Texte werden die Zeit überdauern. Sie haben die Literatur bereichert.

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