Kompromisslos sozial

Die Entwicklung der LINKEN Nordrhein-Westfalens zeigt, dass die Partei im Westen im Kommen ist

  • Philip Zeitner
  • Lesedauer: 4 Min.

Die LINKE im Westen kann auf wachsende Zustimmung verweisen, wie in der Bundestagswahl sichtbar wurde. Doch bei den Landtagswahlen dieses Jahres - die durchweg im Westen lagen - scheiterte sie mit der Ausnahme des Saarlandes jedes Mal an der Fünfprozenthürde. Im Osten handelt es sich bei der LINKEN noch immer um eine Volkspartei, auch wenn ihre Reserven schwinden. Bei der Bundestagswahl musste die Partei hier Verluste hinnehmen, die Mitgliedschaft altert sichtbar. Nun allerdings hofft die LINKE auf eine Umkehr - immerhin 75 Prozent der 7000 Neumitglieder dieses Jahres sind jünger als 35 Jahre.

Im Westen sitzt die LINKE in Hamburg, Bremen, Hessen und im Saarland im Landtag, nur an der Saar konnte sie ein zweistelliges Ergebnis erringen. Eine besondere Entwicklung hat die LINKE in Nordrhein-Westfalen genommen. Nach dem Einzug ins Parlament im Jahr 2010 und einer sich anschließenden Tolerierung der Minderheitsregierung von SPD und Grünen gab es 2012 Neuwahlen und die LINKE scheiterte krachend an der Fünfprozenthürde. Nur 2,5 Prozent der Wähler gaben ihr damals die Stimme.

Fünf Jahre später ein neuer Versuch. Und erneut zog die Partei nicht in den Landtag ein. Doch diesmal scheiterte sie denkbar knapp. 8345 Stimmen oder 0,1 Prozent haben gefehlt. Ein zwiespältiges Resultat. »Wir haben unser Ziel, den Einzug in den Landtag, nicht erreicht. Daher ist das natürlich kein gutes Ergebnis. Aber es ist auch keine Niederlage«, fasst Landessprecherin Özlem Demirel zusammen. Die Partei hat ihr Ergebnis in absoluten Stimmen mehr als verdoppelt. Demirel sieht das als Beweis, dass der konsequent soziale Kurs des Landesverbandes Früchte trägt, auch wenn SPD und Grüne alles dafür getan haben, die LINKE aus dem Parlament herauszuhalten. Deren Spitzenkandidaten, Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann, hatten noch kurz vor der Wahl als oberstes Ziel ausgerufen, die LINKE aus dem Landtag zu halten. Kraft wiederholte, dass sie in keinem Fall mit der LINKEN regieren würde. Ein Skandal sei das gewesen, gerade »in Zeiten erstarkender rechtspopulistischer und rassistischer Kräfte wie der AfD«, findet Demirel.

Der Landesverband an Rhein und Ruhr gilt als besonders linker Verband. Von politischen Gegnern wird der Partei häufig mangelnde Kompromissbereitschaft vorgeworfen und die Regierungsfähigkeit abgesprochen. Außerdem stelle sie »unrealistische« Forderungen auf. Das zielt auf den Markenkern der LINKEN, auf die soziale Frage, bei der die Landessprecherin keine Abstriche macht: »Das ist die zentrale Frage unserer Zeit«. Darunter fallen etwa die Verbesserung der Wohnraumsituation und die der Arbeitssituation der Menschen. Die Vorwürfe scheinen sich jedoch, berechtigt oder nicht, in den Köpfen vieler Wähler festgesetzt zu haben.

In Teilen ist durch diese Umstände vielleicht auch das bessere Abschneiden bei der Bundestagswahl zu erklären. Bei dieser gaben 7,5 Prozent der Wähler in NRW der LINKEN ihre Stimme. Dabei verbesserte die Partei in NRW, aber auch vielen anderen West-Verbänden, ihre Ergebnisse. Mit zwölf Abgeordneten ist der Landesverband in der Bundestagsfraktion vertreten. Das stimmt Landessprecherin Demirel optimistisch auch für die Zukunft. Ihr ist es wichtig, nach vorne zu blicken. Die Mitgliederzahlen geben ihr Rückenwind. Über 1500 Menschen sind in diesem Jahr allein in NRW in die Partei eingetreten. Gerade mit den Wahlen zum Land- und Bundestag schlossen sich viele Menschen der LINKEN an. Sie gelte es nun zu binden und zu eigener Aktivität zu ermutigen. »Das ist unsere Herausforderung: Diese Mitglieder zu aktiven und mitarbeitenden Mitgliedern zu machen«, sagt Demirel.

Um zweistellige Ergebnisse von der absoluten Ausnahme zur Regel zu machen, braucht es natürlich mehr. Die LINKE muss im Westen viel mehr um gesellschaftliche Akzeptanz kämpfen, als es im Osten der Fall ist. »Wir müssen uns in der Lebensrealität der Menschen verankern«, sagt Demirel und meint damit etwa das Intervenieren in Arbeitskämpfen und Bündnisse mit außerparlamentarischen gesellschaftlichen Kräften. Konkret bedeute das vermehrt Stadtteilarbeit mit den Kreisverbänden. »Wir können dadurch den Menschen neue Impulse geben und von ihnen auch Impulse für unsere politische Arbeit und unsere Inhalte erhalten«, sagt die Landessprecherin.

Der direkte Kontakt zu den Menschen, Teil ihrer Lebensrealität zu werden und ihre Probleme und Sorgen zu verstehen, werde zentrale Aufgabe in den nächsten fünf Jahren ohne parlamentarische Arbeit sein - grundsätzlich gilt das natürlich für alle Landesverbände, ob im Parlament vertreten oder nicht. Die LINKE in Nordrhein-Westfalen konnte in der außerparlamentarischen Arbeit in den vergangenen Jahren schon einige Erfahrungen sammeln. Nun scheint sich der eingeschlagene Weg auszuzahlen.

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