Gedenkstelle am Breitscheidplatz verlegt

Mahnmal für die Opfer des Terroranschlags muss weichen - ausgerechnet für den Weihnachtsmarkt

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hat die temporäre Stelle für das Gedenken an die Opfer des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz verlegt. Im Zuge der Aufbauarbeiten für den Weihnachtsmarkt sei sie nun auf die Stufen vor der Kirche verlagert worden, teilte Gedächtniskirchen-Pfarrer Martin Germer am Donnerstag mit. Damit befinde sich das vor allem aus Kerzen und Blumen bestehende Mal nun rund 40 Meter neben dem künftigen dauerhaften Gedenkort für die Anschlagsopfer.

Am ersten Jahrestag des Anschlags, am 19. Dezember 2017, soll dieser eingeweiht werden. Ein meterlanger goldener Riss auf dem Boden wird dann an die Getöteten erinnern. Die Namen der Opfer und ihre Herkunftsländer sollen zudem auf den Stufen zur Gedächtniskirche angebracht werden. Zur Einweihung wird der Weihnachtsmarkt für einen Tag geschlossen.

Fast ein Jahr ist vergangen, seitdem der islamistische Terrorist Anis Amri einen Lastwagen vorsätzlich in die Besuchermenge des Weihnachtsmarkts lenkte und elf Menschen tötete. Mehr als 60 wurden teilweise schwer verletzt.

Den Weihnachtsmarkt-Stand an der Gedächtniskirche, an dem Max Müller am 19. Dezember 2016 mit seiner Frau Brezeln, Glühwein und Baguettes verkaufte, gibt es nicht mehr. »Zusammengekracht wie ein Kartenhaus«, sagt der 26-Jährige. Müller ist überzeugt, es wäre noch viel verheerender gekommen, hätte der Attentäter an einem Wochenende zugeschlagen. »Da wäre der Markt weit voller gewesen, es hätte noch mehr Menschen erwischt.«

Gleich nach dem Anschlag seien sich die meisten der mehr als 100 Händler und Standbetreiber vom Breitscheidplatz einig gewesen: »Wir lassen uns nicht von Terroristen verdrängen, wir geben denen keinen Raum. Wir wollen wieder öffnen.«

Der Chef des Berliner Schaustellerverbandes, Michael Roden, sagte der Deutschen Presse-Agentur, beim diesjährigen Weihnachtsmarkt seien fast alle wieder dabei. Lediglich ein einziger Händler habe nicht mehr gewollt. Trotzdem sei der Anschlag irgendwie immer präsent. Die Schausteller hätten mehr als eine Viertelmillion Euro für die Opfer gespendet, Sicherheitskonzepte für den Markt seien entwickelt, die Auflagen dafür erhöht worden.

Anfangs gab es große Empörung über eine kaltherzige Bürokratie und geringe Empathie für die Opfer. »Menschen, die Opfer werden, sind Menschen in einer Ausnahmesituation. Wer hat da den Nerv, seitenlange Anträge auszufüllen? Das schaffen die Leute nicht«, sagt Roland Weber, ehrenamtlicher Opferbeauftragter des Landes Berlin. Sein Ansatz: »Wir müssen auf die Betroffenen zugehen.« Das sei dann mit viel Aufwand organisiert worden. Bei ihm hätten die Telefone nicht mehr still gestanden, erinnert sich der Anwalt.

Der rot-rot-grüne Berliner Senat hat inzwischen eine zentrale Stelle für Opfer von Terrorakten oder anderen schweren Unglücken beschlossen. Sie solle »umgehend für die Betroffenen« da sein, sagt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). »Es bleibt zu hoffen, dass die Anlaufstelle wenig zu tun haben wird.« nd/Agenturen

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