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Offene Herzen, offene Grenzen
Sabine Hess, Bernd Kasparek und Kollegen klagen Fremdenhass und Rassismus an
»Was wir im langen Sommer der Migration 2015 miterleben konnten, war und ist keine Flüchtlingskrise, sondern eine historische und strukturelle Niederlage des europäischen Grenzregimes.« Dieser Eingangssatz sitzt. Wie in Stein gemeißelt die Anklage.
• Sabine Hess/Bernd Kasparek u. a.(Hg): Der lange Sommer der Migration. Grenzregime III.
Assoziation A, 272 S., br., 18 €.
Über 30 Jahre lang haben die europäischen Staaten und die EU-Behörden versucht, ein höchst selektives, mehrstufiges Grenzregime zu etablieren, benannt nach dem kleinen belgischen Ort Schengen. Man kann sich gut vorstellen, dass dessen Bewohner überhaupt nicht glücklich sind, dass ihr Heimatort heute stets nur mit negativen Schlagzeilen belegt ist. Es wurde, so die Herausgeber des hier vorzustellenden Bandes, »eine rassistische und klassistische europäische Mobilitätsordnung etabliert, die auf das ›Interesse‹ der europäischen Hegemonen ausgerichtet ist«. Das Wort von der »Festung Europa« erfährt eine immer ungeheuerlichere Bedeutung. Man sollte aber bedenken, dass auch ein selbstgewähltes Leben in einer Festung kein wohliges ist.
Der von Sabine Hess, Bernd Kasparek und Kollegen herausgegebene Band untersucht die Ursachen der anhaltenden Migration, der oft lebensgefährlichen Flucht über das Meer oder auf Landwegen nach Europa und fragt, warum die europäischen Politiker und EU-Beamten so kaltherzig wie kurzsichtig sind. Die Autoren und Autorinnen rekon-struieren die Kämpfe an den Hotspots, stellen Unterstützungsinitiativen vor und untersuchen die neuen Tendenzen der Flüchtlings- und Grenzpolitik. Keine der bisherigen Maßnahmen, kein noch so rigides Kontrollregime haben die Ägäis- oder die Balkanroute komplett schließen können. Bewirkt wurde nur eine teilweise Verlagerung der Routen. Begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen, Residenzpflichten, Familiennachzugsverbote sowie Migranten vorenthaltene politische, soziale und ökonomische Rechte werden nur die rassistischen Formationen in unseren Gesellschaften fortschreiben, nicht aber die Migration eindämmen oder umkehren, mahnen die Autoren und plädieren offenen Herzens für offene Grenzen.
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