Die göttliche Kraft des Geldes

Finanzielle Unregelmäßigkeiten hatten für das Diakoniewerk Bethel noch keine Konsequenzen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie transparent sind kirchliche Unternehmen? Wie auch Nichtregierungsorganisationen und andere gemeinnützige Einrichtungen stellen sie sich meist als »die Guten« dar. Die Konfessionellen werben mit einem christlichen Menschenbild und besonderer Zuwendung für Kranke, Behinderte, Alte und Kinder. Doch nicht immer handeln auch ihre Verwaltungen, Aufsichtsräte und Vorstände in diesem Sinne. Müssten diese Gremien strenger kontrolliert werden? Wie wäre das möglich? Diese Fragen wurden vergangene Woche in Berlin bei einer Veranstaltung des Rechercheprojekts Correctiv gestellt.

Das aktuelle Beispiel des Diakoniewerkes Bethel - nicht zu verwechseln mit Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - legt ein strengeres Vorgehen nahe. Dort hat sich in den vergangenen Jahren ein angestellter Vorstand vermutlich auf Kosten der Einrichtung und ihrer insgesamt 1700 Mitarbeiter bereichert. Der Geschäftsführer Karl Behle gönnte sich nach der Correctiv-Recherche nicht nur ein Jahresgehalt von 700 000 Euro, auch eine Immobilie aus dem Bethel-Bestand sicherte er sich kostengünstig. Über zwei Stiftungen schließlich hat er wohl auch das Gesamtunternehmen mit 13 Krankenhaus- und Pflegeeinrichtungen unter seine Kontrolle gebracht.

Dies sind zunächst Anschuldigungen, auf die Behle noch nicht reagiert hat, auch nicht auf mehrfache Nachfragen aus dem Landesverband des Diakoniewerkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO). In diesem Verein ist das Diakoniewerk Bethel, seit 2011 gemeinnützige GmbH, Mitglied. Für den Vorstand des Vereins gab in der letzten Woche bei der Berliner Veranstaltung Martin Matz Auskunft über das weitere Vorgehen.

Das DWBO steht vor der Entscheidung, sein bisheriges Mitglied Bethel auszuschließen. Dabei ginge man - auf anwaltlichen Rat hin, wie Matz betonte - vorsichtig vor, bei einem solchen Vereinsausschluss ließe sich viel falsch machen. Der Dachverband will zunächst abwarten, was eine von Bethel selbst ausgelöste externe Prüfung ergibt. Ein Ausschluss könnte dem Image der Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen schaden, noch gravierender wäre eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Denn dann müssten rückwirkend für viele Jahre Steuern nachgezahlt werden. Beides scheint nicht unmittelbar bevorzustehen. Für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit müsste nachgewiesen werden, dass es zum Beispiel verdeckte Gewinnausschüttungen gab.

Im Diakoniewerk Bethel ereigneten sich in den letzten Jahren noch andere Dinge, die bei Mitarbeitern Unverständnis, Empörung und auch Ängste auslösten. 2014 wurden drei Diakonissen ausgeschlossen, obwohl sich das Diakoniewerk per Satzung verpflichtet, die über 30 Schwestern bis zum Lebensende voll zu versorgen. Während ihrer Tätigkeit bekommen die Frauen nur ihre Kleidung, Unterkunft und Verpflegung, außerdem ein Taschengeld.

Den Ausgeschlossenen wurde die Altersvorsorge verweigert: Eine von ihnen war erst 51 Jahre alt, aber schwer krank. Sie wurde zur Sozialhilfeempfängerin und ist inzwischen verstorben. Dank des Einsatzes ihrer Eltern wurde ihr Ausschluss posthum zurückgenommen.

Die grundsätzliche Haltung der Diakonissen, sich im Alter eher auf ihr »geistliches Leben« als auf den Geschäftsbetrieb zu konzentrieren, machte und macht sie wohl auch zu einfachen Opfern von unlauteren Absichten. Neben den Diakonissen arbeitet jedoch die Mehrzahl der Beschäftigten in »normalen« Arbeitsverhältnissen. Bei leitenden Positionen wird etwas mehr erwartet: eine »Identifikation mit unseren Grundhaltungen, die dem diakonischen Unternehmensprofil entsprechen«.

Auf der Berliner Veranstaltung bestritt Martin Matz vehement, dass die Vorgänge in Bethel etwas mit kirchlichen Besonderheiten zu tun hätten. Es ginge um verschiedene Rechtsformen von Unternehmen, die auch bei anderen Gemeinnützigen wie der Arbeiterwohlfahrt existierten. Matz und Andreas Mörsberger, Vorstand der Paul-Gerhardt-Diakonie, wiesen darauf hin, dass »gute Unternehmensführung« als Aufgabe schon längere Zeit präsent sei. Seit 2011 gibt es bereits den zweiten Diakonie-Kodex, dessen Einhaltung allerdings nicht öffentlich geprüft wird.

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