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US-Konsulate suchen wieder das Gespräch

In Russland versucht Botschafter Huntsman Rückkehr zu normaler Visavergabe / Hoffnung auf bessere Beziehungen

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Schon ein Hauch vermag derzeit Hoffnung auf eine Besserung des Verhältnisses Moskau-Washington zu wecken. Ein solcher könnte jetzt die Ankündigung der US-Botschaft in Russland sein, »in nächster Zeit« an allen Konsulatsstandorten die Ausgabe von Visa, die ein Gespräch erfordern, wieder aufnehmen zu wollen. Damit täten die Beamten wieder das, was ihres Amtes ist. Denn in St. Petersburg, dem sibirischen Jekaterinburg und dem fernöstlichen Wladiwostok waren Gespräche seit dem 1. September abgesagt. Ohne einen persönlichen Dialog sind in vielen Fällen US-Visa aber nicht zu bekommen.

Der Andrang Reisewilliger, die als Touristen, zu Studienzwecken oder zur Arbeit in die Vereinigten Staaten reisen wollen, konzentriert sich seither auf das Konsulat der Vereinigten Staaten in der Hauptstadt Moskau. Für das nach US-Regeln in nicht wenigen Fällen notwendige Gespräch mit dem Antragsteller gebe es im neuen Gebäude der Vertretung 24 Schalter, doch sei nur die Hälfte mit Personal zu besetzen, hieß es dort.

Unter Jon Huntsman soll jedoch Besserung »in einigen Wochen« an allen Konsulatsstandorten eintreten. Das passt zur wiederholten Versicherung des seit Anfang Oktober neuen Botschafters Washingtons in Moskau, sich für eine Normalisierung der Beziehungen einzusetzen. Der Republikaner, der sich 2012 erfolglos um die Präsidentschaftskandidatur bewarb, verweist im TV-Kanal Rossija 1 auf Erfahrung im Umgang mit Meinungsverschiedenheiten: »Als Botschafter in Singapur, in China, als Gouverneur von Utah habe ich mich immer mit Menschen getroffen, die verschiedene Auffassungen vertreten.«

Das State Department macht für den konsularischen Missstand allerdings die Gegenseite verantwortlich. Schließlich habe auf Moskauer Geheiß das Personal in den Vertretungen auf 455 Beamte und Angestellte - das ist der Bestand der russischen Vertretungen in den USA - reduziert werden müssen. Hunderte Posten seien abzubauen gewesen - und damit Leistungen. Das russische Außenamt am Smolensker Platz verweist immer wieder gern und süffisant auf fehlende Effektivität oder gar mangelnden Arbeitseifer der US-Kollegen. Beide Seiten geben damit nicht der ganzen Wahrheit die Ehre.

Denn seit nun fast einem Jahr reiben sich beide Atommächte in einem kleinlichen Datschenkrieg auf. Den zettelte im Dezember 2016 der scheidende US-Präsident im Zorn an. Für die Wahlpleite seiner demokratischen Wunschnachfolgerin Hillary Clinton wurden russische Hacker im Solde des Kreml verantwortlich gemacht. Barack Obama schickte als vergiftete Weihnachtsgabe für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, aber auch für seinen Nachfolger Donald Trump, in den letzten Amtsstunden 35 Diplomaten nach Moskau zurück.

Die von ihm zugleich verfügte Sperrung russischer diplomatischer Einrichtungen in den USA löste den »Datschenkrieg« aus. Das lange auf bessere Einsicht hoffende Moskau schloss ein halbes Jahr später gleichfalls Einrichtungen der US-Vertretungen. Gegen das »beispiellose« Vorgehen gegen seine diplomatischen Einrichtungen in den USA will es juristisch vorgehen.

»Das derzeitige Niveau der bilateralen Beziehungen entspricht weder den Interessen der USA noch Russlands«, konstatierte Botschafter Huntsman gegenüber der »Komsomolskaja Prawda«. Das war schon etwas mehr als nur die beiderseits akzeptierte Bestandsaufnahme der »angespanntesten Beziehungen seit dem Kalten Krieg«. Für Russlands Premier Dmitri Medwedjew sind sie »sogar schlechter«. Außenminister Sergej Lawrow bezichtigte die UNO-Botschafterin der USA, Nikki Haley, jüngst »direkter Lüge« und brachte das Wort »Fake-Diplomatie« ein.

Vom Empfang in Russland wurde der US-Diplomat, der bereits mit Offiziellen und weniger Offiziellen über »Gemeinsamkeiten und Unterschiede« sprach, angenehm überrascht: »Seit meiner Ankunft in Russland berührt mich sehr die Wärme, die verschiedene Menschen mir und meiner Familie entgegenbringen.«

Auf eigentümliche Weise empfangen worden war allerdings der neue Botschafter Russlands in den USA. Eine Stunde vor seiner Landung in Washington Ende August hatte die US-Führung die Schließung des russischen Generalkonsulats in San Francisco und zweier diplomatischer Einrichtungen in Washington DC und New York verkündet. Über die Weigerung von Kongressmitgliedern, überhaupt mit ihm zu sprechen, berichtete das Webportal sputniknews.ru in der ersten Novemberwoche. »Ich kann Ihnen sagen, dass alle meine Anfragen im Kongress auf Ablehnung gestoßen sind. Ich freue mich sehr für Herrn Huntsman, dass ihn unsere Parlamentarier warm begrüßt und ihm ihre Bereitschaft zum Zusammenwirken bekundet haben«, wurde Antonow zitiert.

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