»Haus der Flüsse« sortiert sich neu

Sachsen-Anhalt: Havelbergs neues Infozentrum verzeichnete einen eher verhaltenen Start

  • Wolfgang Benndorf, Havelberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Zirpen der Insekten mischt sich mit dem Zwitschern der Vögel, zwischendurch ertönt ein Schrei. Das leise Plätschern des Baches wird zum bedrohlichen Rauschen, bis der Fluss schließlich über die Ufer tritt. Im Havelberger »Haus der Flüsse« können Besucher die Natur in der Flussauenlandschaft hautnah erleben.

Wie eine Bake aus Holz liegt das Informationszentrum des europäischen Schutzprojektes Natura 2000 am Ufer der Havel. Seit Juli 2015 lädt es die Besucher ein. Damals kamen Tausende Touristen zur Bundesgartenschau (Buga) - und standen zunächst vor verschlossener Tür. Dass der Bau nicht pünktlich zur Eröffnung fertig geworden war, sorgte damals für Unmut und Spott. Schließlich hatte die Landesregierung Sachsen-Anhalts das Haus als ihren Beitrag zur Buga angekündigt.

»Als solches war es nie gedacht«, sagt Armin Wernicke, Mitarbeiter der Biosphärenreservat-Verwaltung Mittelelbe (Nord). Das »Haus der Flüsse« ist sein »Kind«. Er war Mitinitiator und Projektleiter. Finanziert wurde der 5,2 Millionen Euro teure Bau zu 75 Prozent mit EU-Mitteln. Das Biosphärenreservat Mittelelbe ist Teil des 1997 von der UNESCO anerkannten Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe - und einer der am strengsten geschützten Naturräume Sachsen-Anhalts.

Ohne die Buga wäre ein Haus in dieser Dimension sicher nicht möglich gewesen. Das Beguinenhaus am historischen Salzmarkt in der Hansestadt, das seit 2004 Informations- und Anlaufstelle war, platzte wegen des großen Besucherinteresses aus den Nähten. Daher keimte bei Armin Wernicke und seinen Mitstreitern die Idee für das »Haus der Flüsse«-Projekt. Seit 2008/2009 arbeiteten das Biosphärenreservat Mittelelbe, die Stadt Havelberg und das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt gemeinsam daran. Ziel war es, für die Buga 2015 das neue Informationszentrum zu errichten, wobei die Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe als Bauherr das Zentrum nun dauerhaft betreibt.

Grundidee sei es, die Bedeutung des Schutzsystems Natura 2000 und die des Biosphärenreservates Mittelelbe für den Erhalt einer naturnahen Flusslandschaft aufzuzeigen, erklärt Wernicke. Der Besuch der Ausstellung mit 27 Stationen und zwölf Außenstationen ist kostenlos. Die multimediale Präsentation auf mehr als 300 Quadratmetern widmet sich etwa dem Flusssystem Elbe-Havel mit seinen Auenlandschaften und dort vorkommenden Pflanzen- und Tierarten. Daneben geht es um die Entwicklung der flussnahen Kulturlandschaften und um die Frage, wie alles zusammenhängt.

»Unsere Hauptzielgruppe sind Kinder und Jugendliche«, berichtet Stefan Fischer, Außenstellenleiter »Untere Havel« der Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe. Neben Schulklassen ist das Haus aber auch Anziehungspunkt für andere Gruppen, Familien und natürlich Touristen.

Knapp 18 000 Besucher verzeichnete das »Haus der Flüsse« im vergangenen Jahr. Rund 140 Veranstaltungen wie Vorträge, Projekttage und Seniorennachmittage gab es. Derzeit wird das Umweltbildungskonzept überarbeitet. Ziel sei es, mit thematisch ausgerichteten Veranstaltungen neue Zielgruppen zu gewinnen und die Vernetzung in der Region weiter zu stärken, sagt der Hausherr.

Mandy Hodum, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Altmark, begrüßt den Ansatz. Professionelles Marketing sei das A und O, um Besucher zu gewinnen. Das »Haus der Flüsse« sei ein wichtiger touristischer Magnet im Nordosten des Landes und besonders für Urlauber interessant, die auf dem Elbe- und dem Havelradwanderweg unterwegs sind.

Nicht zuletzt wurde mit dem Bau ein architektonisches Zeichen in dem 7000-Einwohner-Städtchen gesetzt und eine Industrieruine beseitigt. Früher befand sich auf dem Gelände ein Betonsteinwerk. Armin Wernicke blickt zufrieden auf sein »Kind«. Vergessen sind Planungsstress und Eröffnungsärger.

Dass ausgerechnet der Naturschutz das Projekt fast ausgebremst hätte, lässt ihn heute schmunzeln. Ein Flussregenpfeifer hatte sich auf der Baustelle niedergelassen, um zu brüten. Erst als der damit fertig war, konnten die Bagger anrücken. Zum Glück noch rechtzeitig zum geplanten Baubeginn, wie Wernicke betont. Als Nestflüchter kehrte der streng geschützte Vogel dann nicht mehr an diese Stelle zurück. dpa/nd

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