Küstenschutz mit der Jagdwaffe

Ostsee-Deiche werden durch Wildschweine destabilisiert

  • Birgit Sander, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.

Wildschweine gefährden in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend Küsten- und Hochwasserschutzdeiche. »Damit wird die Schutzfunktion dieser Anlagen im wahrsten Sinne des Wortes untergraben«, sagt Stefan Bös, beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt (Stalu) Vorpommern zuständig für Küstenschutz. Wie er hofft auch der Abteilungsleiter für Naturschutz, Wasser und Boden im Stalu Westmecklenburg, Frank Müller, dass die Abschussprämien für Wildschweine die Jäger motivieren, mehr Schwarzkittel zu schießen. 25 Euro zahlt das Land von Dezember an für ein erlegtes Wildschwein. Das ist allerdings nicht mehr als eine Aufwandsentschädigung.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern unterhält nach Angaben des Schweriner Umweltministeriums rund 190 Kilometer Binnendeiche an Elbe, Löcknitz, Sude, Nebel und Peene sowie 220 Kilometer Küstenschutzdeiche. »Probleme mit Wildschweinen gibt es an vielen Deichabschnitten«, erklärt eine Ministeriumssprecherin. Besonders dort, wo die Deiche an Wälder und unbebaute Flächen grenzen, wie bei Tarnewitz, Markgrafenheide, Zingst und auf Hiddensee, fühlten sich die Schweine sicher.

»Neu angelegte Deiche bleiben in den ersten drei Jahren verschont, doch sobald sich eine Bodenfauna aus Regenwürmern, Larven oder Insekten entwickelt hat, werden die Deiche für die Wildschweine sehr attraktiv«, sagte Bös. »Wildschweine sind im Winterhalbjahr auf tierische Eiweiße angewiesen«, erläutert der Wildtierbiologe Hinrich Zoller von der Universität Rostock. »Regenwürmer sind auf gut gepflegten Rasenflächen besonders gut zu finden.« Die Schweine gingen nur deswegen auf die Deiche. Erddeiche hätten eine kompakte, feste Grasnarbe, deren Rasen immer kurz gehalten werde.

Die Schäden an den Deichböschungen sind nach Ministeriumsangaben zum Teil erheblich, die Schadenshöhe sei aber nicht erfasst worden. Der Leiter des Stalu Vorpommern, Matthias Wolters, rechnet die Kosten hoch und kommt auf 60 000 bis 100 000 Euro pro Jahr für die Reparatur der Küstenschutzdeiche allein in Vorpommern. Da dort zwei Drittel der Küsten-Deiche liegen, würden für die mecklenburgische Küste noch rund 30 000 Euro pro Jahr hinzukommen. Die Schadensbereiche einzuebnen, zu fräsen und Gras anzusäen koste pro Quadratmeter 1,50 bis 2,50 Euro. Müller beziffert die Reparaturen an den 150 Binnendeich-Kilometern in Westmecklenburg auf mehr als 10 000 Euro pro Jahr.

Um Schäden an den Deichen zu verhindern, experimentieren die Behörden mit unterschiedlichsten Methoden. Granulate mit unangenehmen Duftstoffen oder Drahtgeflechte unter der Grasnarbe waren jedoch nur wenige Tage erfolgreich, sagte Müller. Mehr bringen demnach Betongitterplatten wie an der Küste bei Tarnewitz. Sie seien aber nicht überall einsetzbar, weil zu teuer.

Auch Amtsleiter Wolters berichtet von Schotterrasen, Kunststoffgittern und Rasensteinen, mit denen Deichfüße stabilisiert würden. Einige Deichabschnitte würden eingezäunt, etwa auf der Insel Usedom. Wichtig sei es, die Deiche oft zu kontrollieren, meint Wolters. »Aber wir haben keine Deichgrafen mehr.« Drei bis vier Leute seien für mehrere hundert Kilometer zuständig.

»Langfristig kann nur eine deutliche Reduzierung des überhöhten Schwarzwildbestandes die Schäden eindämmen«, sagt Stalu-Mitarbeiter Bös. dpa/nd

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