Starker Mann für schwache Partei
In Frankreich ist Wauquiez bei der Wahl zum Parteichef der Republikaner Favorit
Am vergangenen Wochenende haben die Mitglieder der rechten Oppositionspartei »Die Republikaner« (LR) ihren neuen Parteivorsitzenden gewählt. Zwar war für den gestrigen Sonntag noch eine Stichwahl zwischen der bestplatzierten Kandidaten angesetzt und das offizielle Ergebnis lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor, doch kann risikolos davon ausgegangen werden, dass sich der haushohe Favorit Laurent Wauquiez auf Anhieb mit mehr als 50 Prozent der Stimmen durchsetzen konnte.
Wauquiez’ Gegenspieler sind blasse und wenig bekannte Hinterbänkler: Mael de Calan war ein enger Mitarbeiter des Ex-Premiers Alain Juppé und tritt wie dieser für einen gemäßigt rechtsliberalen Kurs ein. Doch damit hat er heutzutage wenig Chancen, weil viele ebenso denkende Anhänger längst zu Präsident Macron abgewandert sind, dessen Politik ähnliche Züge aufweist. Florence Portelli war eine enge Mitarbeiterin des LR-Präsidentschaftskandidaten François Fillon, der erst durch den Skandal um die Scheinbeschäftigung seiner Frau und dann durch die Weigerung, für einen anderen Kandidaten Platz zu machen, seine Partei um die letzten Chancen gebracht hat und nun maßgeblich für die desolate Stimmung an der Basis verantwortlich ist. Dort fühlen sich viele »déboussolé« - der Orientierung beraubt und aus dem Gleichgewicht gebracht. Um die Partei zu erneuern, tritt Portelli für einen »modernen Konservatismus« ein - was auch immer das bedeuten mag.
Abstimmungsberechtigt waren die offiziell 235 000 LR-Mitglieder. Die Zahl halten Beobachter für übertrieben und gehen eher von 100 000 aus. Wenn davon 50 000 tatsächlich per Internet mitgestimmt haben, wäre das schon ein Erfolg. Viele deprimierte Mitglieder wollten die Wahl boykottieren, als Zeichen ihrer Frustration über die Zerrissenheit und Bedeutungslosigkeit der Partei sowie wegen der Grabenkämpfe in der Führung. Doch von der Zahl der abgegebenen Stimmen hängt weitgehend die Legitimität des neugewählten Parteivorsitzenden ab.
Der Niedergang der Republikaner und ihr Schrumpfungsprozess hat schon 2012 eingesetzt, als Nicolas Sarkozy die »unverlierbare« Wiederwahl zum Präsidenten verfehlte. In dem sofort einsetzenden Kampf um die Nachfolge an der Parteispitze setzte sich Fillon durch. Zwei Jahre später kehrte Ex-Präsident Sarkozy offiziell in die Politik zurück und so wurde eine Vorwahl um die LR-Präsidentschaftskandidatur 2017 nötig. Die beiden Favoriten Sarkozy und Juppé bekamen für ihre glücklose Amtsführung als Präsident und Premier einen Denkzettel - Fillon setzte sich gegen sie durch, das desaströse Ergebnis ist bekannt.
Der neue »starke Mann« Laurent Wauquiez kann sich auf sein Alter von 42 Jahren berufen, wenn er eine »Generationenwende« ankündigt. Andererseits verfügt er über Erfahrungen in der praktischen Politik, war viermal Minister und wurde bei der letzten Regionalwahl zum Präsidenten der Region Rhône-Alpes-Auvergne gewählt, die er seitdem mit harter Hand regiert. Er kann sich auf die Unterstützung durch Sarkozy berufen. Wie dieser stellt er die Themen Sicherheit, Einwanderung und Identität in den Mittelpunkt. Offiziell lehnt er jedes Bündnis mit der rechtsradikalen Front National ab, doch tatsächlich versucht er, deren Wähler abzuwerben, indem er vor »Kommunitarismus« und »Überfremdung« warnt, eine islamistische Radikalisierung und die davon ausgehende Terrorgefahr an die Wand malt und für Recht und Ordnung eintritt.
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