Bitcoin sind noch nicht gefährlich

Ökonomen warnen vor Derivaten für die Kryptowährung / Erste Börse handelt bereits mit Bitcoin-Future

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer vor zehn Tagen geglaubt hat, das bei 12.000 Dollar pro Bitcoin das Ende der Fahnenstange erreicht gewesen sei, der wurde eines Besseren belehrt. Am Montagmittag lag der Preis für die Digitalwährung bei 16.835 Dollar. Seit Sonntagnacht hat die erste Börse sogar Termingeschäfte, sogenannte Futures mit der Währung zugelassen. Gleich am Montagmorgen schoss der Preis für diese Bitcoin-Future an der Chicagoer Optionsbörse auf 18.700 Dollar in die Höhe.

Solche Preissprünge - zu Jahresbeginn lag der Wert eines Bitcoin noch bei rund 1000 Dollar - führen zu einer selten da gewesenen Einigkeit in der Ökonomenzunft. »Es sind eigentlich alle Phänomene einer Blase da«, sagte der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, am Montag dem Deutschlandfunk. Der eigentliche Vorteil dieser Technik, nämlich schnell und günstig Eigentumsübertragungen zu erfassen, löse sich jetzt langsam auf, denn es dauere immer länger oder koste immer mehr, um diese zu verifizieren. So löse sich der tatsächliche Preis »vom ökonomischen Nutzen ab«. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz fällte bereits Ende November ein noch weitaus strengeres Urteil: Die Kryptowährung »sollte verboten werden«, sagte Stiglitz der Nachrichtenagentur »Bloomberg«. »Sie erfüllt keine sozial nützliche Funktion.«

Die entscheidende Frage also ist: Wie schlimm wird es, wenn die Bitcoin-Blase platzt? Wird es nur einen Sturm im Wasserglas geben oder wird eine neue globale Finanzkrise die Folge sein, ähnlich wie 2007 als in den USA die Hypotheken-Blase platzte. »Die Preisentwicklung der Bitcoins erinnert an die großen Blasen der Wirtschaftsgeschichte«, sagte eine der fünf sogenannten Wirtschaftsweisen, die Bonner Ökonomin Isabel Schnabel, am Wochenende der »Welt am Sonntag«. Die Einführung von Bitcoin-Futures dürfte die Spekulationen noch weiter anheizen. Bislang, so die Wissenschaftlerin, »dürften die Ansteckungsgefahren aber begrenzt sein«.

Bis zu 16.000 Dollar pro Bitcoin: Eine neue Blase?

Noch. So ähnlich sieht es auch der linke Ökonom Rudolf Hickel. Würde die Bitcoin-Blase platzen, dann würden die Investoren ihm zufolge ungefähr 160 Milliarden US-Dollar verlieren. »Dies ist noch kein großes Problem«, so Hickel. Denn die entscheidende Sache ist, dass die Welt der digitalen Kryptowährung noch nicht verbunden ist mit der übrigen Finanzwelt. Sorgen macht ihm aber, dass nun auch Terminkontrakte auf die Kryptowährung zugelassen sind. Dabei ist die Chicagoer Optionsbörse CBOE der einzige Handelsplatz, der solche Deals organisiert. Ab 18. Dezember will auch der weltweit größte Börsenbetreiber, die Chicago Mercantile Exchange Group (CME), mit diesen Papieren handeln. Von der US-Regulierungsbehörde gab es bereits grünes Licht.

Dabei sind diese Futures sogenannte Finanzderivate. Das heißt, dass sie Wertpapiere sind, die auf anderen Wertpapieren aufbauen. Im Fall der Bitcoin-Futures zum Beispiel kauft der Investor nicht die Bitcoins, die das eigentliche Spekulationsobjekt sind, sondern das Recht, Bitcoins zu einem späteren Zeitpunkt zu einem jetzt festgelegten Preis kaufen oder verkaufen zu können.

Auch wenn solche Geschäfte mal erfunden wurden, um zum Beispiel Bauern einen festen Preis für ihre Ernte zuzusichern oder exportierende Unternehmen vor Wechselkursschwankungen abzusichern, so machen solche Derivate die Finanzwelt mittlerweile eher unsicherer als sicherer. Schließlich entfaltete die US-Immobilienkrise ihre zerstörerische Kraft rund um den Globus nicht allein, weil die Banken zuvor zu viele Hypotheken vergeben hatten. Sondern vor allem, weil die Banken diese in Kreditderivate verbrieften und als Spekulationsobjekte weiterverkauften. So wurden 2008 weltweit Kreditderivate in Höhe von 596 Billionen US-Dollar gehandelt.

»Auf börsennotierte Bitcoin-Fonds freuen sich selbst die institutionellen Anleger«, warnt Finanzmarktexperte Hickel heute. Denn bislang ist es diesen verboten, mit der 2009 ins Leben gerufene Kryptowährung zu spekulieren, weil sie kein offiziell reguliertes Finanzprodukt ist. Doch mit den Futures haben sie nun eine Möglichkeit, beim digitalen Goldrausch mitzumachen. »Insgesamt wird die Finanzwelt zu Lasten der Realwirtschaft noch instabiler und krisenanfälliger«, warnt Hickel, dass dadurch ein Platzen der Bitcoin-Blase noch gefährlicher werden könnte als die US-Hypothekenkrise.

Unterdessen ist der ursprüngliche Zweck des Bitcoins, ein von Zentralbanken unabhängiges Zahlungsmittel zu sein, immer mehr in den Hintergrund gerückt. So startete die NordLB in Hannover einen Modellversuch, bei dem Mitarbeiter ihr Essen in der Kantine an einem Terminal in Bitcoin zahlen können. Doch diese horten ihre Bitcoins mittlerweile lieber, als dass sie sie ausgeben.

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