Schwarze Liste mit weißen Flecken

Martin Schirdewan hält die Länderaufstellung der Europäischen Union zum Thema Steuertricks für eine Farce

  • Martin Schirdewan
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist höchste Zeit, dass es in der EU in der Steuerpolitik endlich zu einem Umdenken kommt. Denn Steuertrickserei hat System. Erst die Enthüllungen durch die Panama Papers, dann die durch die Paradise Papers haben das erst unlängst wieder bewiesen. EU-Staaten verlieren durch das Steuerdumping von Konzernen, Reichen und Mächtigen mehrere hundert Milliarden Euro jährlich. Während sich die Pfeffersäcke also in die eigenen Taschen scheffeln, fehlen den Staaten die Mittel für Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Sozialsysteme.

Vor kurzem haben die EU-Finanzminister unter lautem Getöse die sogenannte Schwarze Liste Steueroasen veröffentlicht. Darauf finden sich insgesamt 17 Länder, von A wie Amerikanisch-Samoa bis V wie Vereinigte Arabische Emirate. Vergeblich sucht man jedoch auf der Liste nach einschlägig bekannten Steuersümpfen wie der Schweiz, Hongkong oder den USA. Wie bereits beim ersten Anlauf für eine solche Liste im Juni 2015 stellt sich somit auch die jetzige als eine Farce heraus.

Dabei haben die beiden Nichtregierungsorganisationen Oxfam und Tax Justice Network (TJN) vorexerziert, wie glaubwürdige Listen nach den EU-eigenen Kriterien auszusehen hätten: Oxfam kommt demnach auf 39 Länder, TJN auf 47. Darunter sind auch EU-Staaten zu finden. Auf der EU-Liste tauchen diese jedoch nicht auf, waren sie doch von Anfang an vor einer Listung geschützt. Das ist natürlich absurd. Länder wie die Niederlande, Irland oder Luxemburg spielen in der Steuerdrückerei um den Weltmeistertitel mit.

Überhaupt dominierte diplomatisches Geschachere hinter verschlossenen Türen die Erstellung der Liste. Anstatt sich auf objektive Kriterien zu einigen, bestimmten am Ende politische Interessen, wer auf der Liste landete. So einigten sich die Mitgliedsstaaten bereits im November 2016 darauf, dass ein Nullsteuersatz, oder ein Steuersatz nahe Null, nicht automatisch zu einer Listung führen soll. Hier streckte vor allem das Vereinigte Königreich seine schützende Hand über seine Überseegebiete wie die Bermudas oder die Britischen Jungferninseln - auf beiden fällt kein Unternehmenssteuersatz an.

Damit aber nicht genug: Die Finanzminister waren nicht einmal in der Lage, sich auf verbindliche und effektive Gegenmaßnahmen für die gelisteten Länder zu einigen. Die öffentliche Prangerwirkung der Liste alleine würde schon zum Umdenken bei den Staaten führen, wird argumentiert. Damit hat man die Liste endgültig zu einem zahnlosen Papiertiger verkommen lassen.

Dabei liegen genügend Ideen auf dem Tisch, um dem internationalen Steuerraub einen Riegel vorzuschieben. Diese umfassen sowohl nationale als auch internationale Maßnahmen. Vor allem große Staaten wie Deutschland oder Frankreich könnten durch das Einführen unilateraler Maßnahmen wie etwa Strafsteuern auf Finanzflüsse in Niedrigsteuerländer diese zum Einlenken bewegen. Es könnte sein, dass man um solche nationalen steuerpolitischen Alleingänge nicht herumkommen wird, da Steuerfragen Einstimmigkeit aller Mitgliedsstaaten erfordern und somit Länder wie Luxemburg oder Irland ein Veto einlegen können.

Auf internationaler Ebene müssen indes die Anstrengungen um die Einführung einer öffentlichen länderspezifischen Berichterstattung fortgeführt werden. Diese würde Konzerne dazu verpflichten, eine Handvoll von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, wie etwa gezahlte Steuern und Umsatz, für jedes Land zu veröffentlichen, in dem sie aktiv sind. Das schaffe Transparenz und man würde somit sofort sehen, welche Konzerne wo und wie viel ihrer Gewinne parken. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde vergangenen Juni im Europäischen Parlament angenommen - leider haben Konservative und Liberale zuvor noch ein paar Schlupflöcher eingebaut. Bevor das Gesetz in Kraft tritt, muss außerdem noch der Rat seine Zustimmung geben, wodurch es Gefahr läuft, noch weiter weichgespült zu werden.

Um eine gerechte Besteuerung von Konzernen zu ermöglichen, muss endlich auch das schädliche System der Verrechnungspreise begraben werden. Es ist dieses System, das es Unternehmen erlaubt, ihre Profite quer über den Globus zu verschieben und somit ihre Steuern zu drücken. Stattdessen müsste begonnen werden, global agierende Konzerne als das zu betrachten und zu besteuern, was sie sind: große Einheiten. Steuern fallen dann dort an, wo Firmen ökonomisch aktiv sind. Steueroasen, wo außer Briefkästen nichts ist, würden somit leer ausgehen.

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