VW unterstützte Repressionen gegen Oppositionelle

Neue Studie verdeutlicht Verwicklungen der Wolfsburger in den Machtapparat der brasilianischen Militärjunta

  • Lesedauer: 3 Min.

São Paulo. Eine Studie wirft dem VW-Konzern Repressalien gegen Oppositionelle in seinen brasilianischen Fabriken während der Militärdiktatur (1964 bis 1985) vor. »Der Werkschutz überwachte oppositionelle Aktivitäten seiner Beschäftigten und erleichterte durch sein Verhalten die Verhaftung von mindestens sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern«, heißt es einer nun in Brasilien vorgestellten Untersuchung des Historikers Christopher Kopper von der Universität Bielefeld, die von dem Autobauer selbst in Auftrag gegeben wurde.

Überschattet wurde die Vorstellung in São Bernardo do Campo von einem Boykott durch die damaligen Opfer um den Arbeiter Lucio Bellentani, der dem Konzern trotzdem ein unzureichendes Zugehen auf die Diktaturopfer vorwirft. Da sie eine Einladung ablehnten, reiste auch nicht wie erst geplant Personalvorstand Karl-Heinz Blessing an, um mit den Opfern zu sprechen, wie ein VW-Sprecher mitteilte. Nach der Aussage von Bellentani ließ der Werkschutz nicht nur seine Verhaftung, sondern auch seine Misshandlung durch die Politische Polizei auf dem Werksgelände geschehen. »Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als der Einsatz von Folter durch die Politische Polizei bereits in der brasilianischen und in der deutschen Öffentlichkeit bekannt war«, schreibt Kopper. Auch Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der zu dieser Zeit Gewerkschaftsführer war, wurde vom Werkschutz observiert und verhaftet.

Volkswagen do Brasil ist seit 1953 im fünftgrößten Land der Welt aktiv und beschäftigt dort rund 20.000 Menschen. Auf dem Gelände des Werks in São Bernardo do Campo wurde eine Gedenktafel für die Opfer des Regimes enthüllt, Menschenrechtsorganisationen sollen zudem zur Stärkung der Demokratie unterstützt werden.

»Die Korrespondenz mit dem Vorstand in Wolfsburg zeigt bis 1979 eine uneingeschränkte Billigung der Militärregierung«, erklärt Kopper weiter. 1969 habe die Zusammenarbeit des Werkschutzes mit der Geheimpolizei begonnen. VW wollte sich mit der Zusammenarbeit ein günstiges Marktumfeld sichern. »Die staatliche Kontrolle der Lohnentwicklung und der Gewerkschaften hielten die Löhne auf einem niedrigeren Niveau als in einer pluralistischen Demokratie«, so Kopper. Das Management von VW do Brasil habe den Militärputsch von 1964 und die Etablierung einer zunehmend repressiveren Militärdiktatur eindeutig positiv beurteilt, da es eine unternehmensfreundliche Politik erwartete.

Opfer hatten bereits vor zwei Jahren Zivilklage gegen das Unternehmen eingereicht. Zwölf ehemalige Mitarbeiter waren laut Klageschrift festgenommen und gefoltert worden. Dutzende Mitarbeiter seien auf schwarzen Listen geführt worden. Sie demonstrierten am Donnerstag während der Vorstellung der Studie vor dem Werktor.

VW prüft auch Opferentschädigungen. Ein Sprecher betonte, man arbeite mit den Behörden in Brasilien zusammen, bisher sei aber keine Anklage erhoben worden. »Es bleibt abzuwarten, wie die Staatsanwaltschaft die Studie bewertet«, so der VW-Sprecher. Man stelle sich der Verantwortung. Agenturen/nd

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