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Mehr Jobs - aber nur in Teilzeit
Die Zahl der Betriebe in Berlin ist gestiegen, doch es gibt immer weniger tarifgebundene Stellen
Wieder sind in der Hauptstadt mehr Jobs entstanden. Die meisten von ihnen sind aber unterbezahlt, ohne Tarifvertrag oder fallen aus anderen Gründen unter die sogenannte atypische Beschäftigung. Das ergibt sich aus dem Betriebspanel, das Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) am Montag vorstellte. Für das Betriebspanel wurden in diesem Jahr bundesweit 15 000 Arbeitgeber über die Zahl der Mitarbeiter, der Neueinstellungen und der Ausbildungsplätze im Unternehmen befragt. In Berlin wurden in diesem Jahr Befragungen in 813 Firmen durchgeführt.
Daraus hat sich ergeben, dass die Zahl der Betriebe in der Hauptstadt im zehnten Jahr in Folge gestiegen ist und mittlerweile bei 96 000 liegt. Damit haben auch Zehntausende Berliner eine neue Arbeitsstelle angetreten. Das ist allerdings mit einem Zuwachs von Teilzeitbeschäftigung, Minijobs und befristeten Arbeitsverhältnissen einhergegangen.
Die Zahl der Auszubildenden in Betrieben ist einer Studie zufolge deutlich zurückgegangen. 16 218 Jugendliche begannen im Jahr 2015 eine duale Ausbildung, wie aus dem »Ländermonitor berufliche Bildung« hervorgeht, den die Bertelsmann-Stiftung am Montag veröffentlichte. Das sei ein Rückgang um fünf Prozent im Vergleich zu 2013. Immer mehr junge Berliner entscheiden sich hingegen für eine vollzeitschulische Ausbildung, die besonders für Berufe im Erziehungs-, Gesundheits- und Sozialwesen qualifiziert. 12 234 Jugendliche nahmen 2015 eine solche Ausbildung auf. Obwohl die Zahl der Bewerber das Angebot an Stellen überstieg, blieben 2016 sieben Prozent der Plätze unbesetzt. 13 Prozent der Bewerber gingen leer aus. Ganze 34 Prozent der Ausbildungsverträge wurden vorzeitig aufgelöst. dpa/nd
»19 Prozent aller Betriebe sind tarifgebunden«, sagte Marek Frei vom Institut für Sozialökonomische Strukturanalysen Berlin (Söstra), das mit der Auswertung der Daten betraut war. »Das heißt: Mehr als 80 Prozent sind es nicht.« Bezieht man Haustarifverträge mit ein, haben immerhin 52 Prozent aller Beschäftigten einen Tarifvertrag. Der Trend gehe aber stetig nach unten. Das sei einer der Gründe gewesen, warum die Bundesregierung den Mindestlohn eingeführt habe, sagte Frei.
Verdoppelt hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Menschen, die Teilzeit arbeiten. Im Betriebspanel sind damit alle gemeint, die weniger als 38 Stunden arbeiten. Die Beschäftigung insgesamt stieg lediglich um etwa 30 Prozent. Prozentual gesehen haben Teilzeitjobs demnach zugenommen.
Als positiv bezeichnete Frei die hohe Nachfrage nach Fachkräften. Allerdings übersteige die Zahl derer, die eine Ausbildung suchen, die angebotene Zahl an Plätzen: 2016 kamen auf 100 Plätze 129 Bewerber. Berlin steht aus Sicht der Wirtschaft viel besser da als beispielsweise Baden-Württemberg, wo auf 100 Ausbildungsplätze nur 80 Bewerber kommen. Das Problem sei aber, so Frei, dass lediglich 47 Prozent der Betriebe ausbilden dürfen. Von diesen wiederum böten lediglich 48 Prozent auch tatsächlich Ausbildungsplätze an.
Für Breitenbach tut die Bundesregierung noch nicht genug, um prekäre Beschäftigung zu reduzieren und Arbeit qualitativ zu verbessern. Der rot-rot-grüne Senat habe den Mindestlohn in Berlin selbstständig erhöht. Aber viel mehr sei nicht möglich, um die Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse zu senken. »Wir müssen was ändern, sonst werden wir eine enorme Altersarmut haben.« Berlin könne jedoch nicht alleine agieren. »Uns sind Grenzen gesetzt. Das sind bundespolitische Gesetze, die prekäre Beschäftigung zulassen«, sagte Breitenbach. An die künftige Bundesregierung appellierte die Sozialsenatorin, das Rückkehrrecht in die Vollzeitbeschäftigung einzuführen. Zudem müssten bundesweit sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverhältnissen abgeschafft werden.
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