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Linke-Regierung aus Mietersicht: Gemischte Bilanz
Die Linke könnte in Berlin ab 2026 wieder mitregieren. Aber sollte sie das aus Perspektive der Mieterbewegung tun?
Die Umfrageergebnisse sind verlockend. Seit Die Linke bei der Bundestagswahl als stärkste Kraft in Berlin hervorgegangen ist, wird in der Partei wieder über eine mögliche Regierungsbeteiligung auf Landesebene diskutiert. »Rot-Grün-Rot ist wieder eine rechnerische Option«, sagt der Stadtsoziologe Andrej Holm auf einer Veranstaltung des Vereins Helle Panke, dem Berliner Ableger der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Auch wenn es derzeitigen Umfragen nach so scheint, als sei eine Koalition mit SPD und Grünen rechnerisch möglich, eventuell sogar unter Führung der Linkspartei, stellt sich die Frage: Sollte man das noch einmal machen? Auch für die Mieter*innenbewegung der Hauptstadt ist das eine relevante Frage. Die Linke ist auf lokaler Ebene für viele Initiativen Partnerin, das Thema Mieten – eins der größten Probleme, mit dem die Berliner*innen konfrontiert sind – ist für die Partei zentral. Aber welche Chancen bietet eine Beteiligung der Linken an der Regierung für diese Mieter*innenbewegung und ihre Interessen?
Zwischen 2016 und 2023 gab es schon mal ein solches Dreierbündnis, bevor es von der SPD aufgekündigt wurde. Seitdem regiert die SPD mit der CDU. Da liegt es nahe, diese Zeit aus der Perspektive der Wohnungspolitik und Mietenpolitik auszuwerten, insbesondere die Zeit von 2016 bis 2021, als Die Linke die Spitze der Stadtentwicklungsverwaltung besetzte. Dem wurde nicht nur auf der eingangs erwähnten Veranstaltung »Verpasste Chance für eine transformative Wohnungspolitik?« der Hellen Panke nachgegangen, sondern auch in einer Studie, die von Holm und Matthias Bernt vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Stadtforschung verfasst wurde. Das Manuskript liegt »nd« vor.
Die Bilanz dieser Zeit ist gemischt. Für die Studie wurden 25 »Schlüsselpersonen aus der Berliner Mietenbewegung« interviewt. »Alle Leute, mit denen wir geredet haben, sagen, das war eine Öffnung«, sagt Ko-Autor Bernt auf der Veranstaltung über den Start von Rot-Rot-Grün 2016. »Nach dem Regierungswechsel gab es dieses große Beteiligungsversprechen. Was sich vor allem darin ausdrückte, dass jeder, der in der Mieterbewegung lesen und schreiben konnte, Einladungen zu zehn verschiedenen Beteiligungsgremien bekommen hat«, wird eine*r der Interviewten in der Studie zitiert. Ein*e weiter*e Interviewpartner*in sagt, es habe im Grunde laufende Treffen mit der Senatorin und ihrem Nachfolger gegeben.
Auch damals an der Regierung beteiligte Akteur*innen bewerten das als positiv. Katalin Gennburg, die 2016 das erste Mal ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde und in Berlin zuletzt stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion war, sagt auf der Veranstaltung, Die Linke habe zu dieser Zeit das Vertrauen wiederhergestellt. Dieses war in die Brüche gegangen, weil die Vorgängerpartei der Linken, die PDS, 2004 die Privatisierung der Wohnungsbestände der landeseigenen Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft GSW mitbeschlossen hatte. Die Bestände gingen dann in die Deutsche Wohnen über und sind heute im Eigentum des Immobilienriesen Vonovia. »Wir wurden auf Mietenpodien immer angeschrien«, berichtet Gennburg. »Die Versöhnung mit der Bewegung war ein ganz wesentliches Element.«
Trotz neu gewonnenen Vertrauens und zahlloser Treffen wurden in der Regierungszeit schnell die Grenzen dieser Öffnung deutlich. Viele Vorhaben scheiterten nicht zuletzt an der SPD, mit der die Interviewten hart ins Gericht gehen. »Wir sind daran gescheitert, dass sich die Vertreter der Linksfraktion gegen die Vertreter der SPD-Fraktion nicht durchsetzen konnten«, so eine*r der Interviewten. Der Tenor auch anderer ist, dass Linke und Grüne keinen Koalitionsbruch riskieren wollten und dementsprechend die SPD am längeren Hebel saß. Oder wie es ein*e Interviewpartner*in aus der Studie formuliert: »Weil sie zu feige waren.« Matthias Bernt resümiert: »Das ist ein unlösbares Problem. In Berlin ist eine linke Regierungsmehrheit ohne die SPD nicht denkbar.«
Aber nicht nur die SPD blockierte. Gerade Initiativen mit einem lokalen Bezug bemängeln, dass auch wenn die Linke das Spitzenamt im Stadtentwicklungssenat stellte, sie an anderen Stellen nicht weiterkamen. Es gebe auf jeder Ebene jemanden, der blockieren könne, sagt Stadtforscher Bernt. Das bemängeln vor allem Initiativen, die zu konkreten lokalen Themen arbeiten. Ein Interviewter sagt: »Hier haben wir schon alles gemacht und dann kriegt man das nicht einmal beantwortet vom Bezirk. Das wird dann immer so unter der Decke gehalten.«
Das dritte große Hindernis für eine transformative Mietenpolitik ist aus Sicht der Vertreter*innen der Mieter*innenbewegung eine strukturkonservative Verwaltung. »Die Verwaltung konnte alles, was wir verlangt haben, so gut abblocken bis es Makulatur war«, bemängelt ein*e Interviewpartner*in der Studie.
Aber konnte die Koaltion auch Erfolge verzeichnen? »Die Rolle der landeseigenen Wohnungsunternehmen in der Stadt hat sich verändert«, sagt Katrin Lompscher, von 2016 bis 2020 Stadtentwicklungssenatorin. Dass diese als Partner stärker in die Pflicht genommen würden, sei eine nachhaltige Wirkung der Koalitionszeit. Auf den ersten Blick überraschend verbucht sie auch den am Bundesverfassungsgericht gescheiterten Mietendeckel als Erfolg. Das Verfassungsgericht hatte entschieden, dass das Land Berlin nicht die Gesetzgebungskompetenz für diesen hatte. »Ich fand es extrem gewinnbringend, dass dieses Gesetz von vielen Menschen gemeinsam geschrieben wurde. Von Expert*innen, der Bewegung und gutwilligen Menschen aus der Verwaltung.« Der Mietendeckel sei ein absoluter Lichtblick gewesen, weil er es ermöglicht habe, über verschiedene Ebenen hinweg ein politisches Projekt voranzutreiben.
Aber auch wenn der Entstehungsprozess als Vorbild dienen kann, bleibt dennoch, dass das Projekt vorerst gescheitert ist. Denn: »Es geht auch immer um reale, spürbare Verbesserungen«, wie Wenke Christoph aus dem Landesvorstand der Berliner Linken sagt. Wenn sich die Partei aus Mieter*innenperspektive erfolgreich an einer Regierung beteiligen will, muss sie sicherstellen, dass es solche spürbaren Erfolge gibt. Von erfolgreichen Beteiligungsprozessen allein zahlt man keine Miete und eine »Rote Metropole«, wie sie sich Die Linke erträumt, entsteht nicht durch das bloße Mitregieren.
»Das ist ein unlösbares Problem. In Berlin ist eine linke Regierungsmehrheit ohne die SPD nicht denkbar.«
Matthias Bernt
Stadtentwicklungsforscher
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