- Politik
- Polizei
Kein Taser-Test in Thüringen
Der Freistaat will keinen eigenen Versuch starten und auf Ergebnisse aus anderen Bundesländern zurückgreifen
Nach dem Willen der Mehrheit im Thüringer Landtag wird die Polizei im Freistaat nicht testweise mit einer weiteren Waffe ausgerüstet: dem sogenannten Taser. Die Mehrheit aus Linkspartei, Sozialdemokraten und Grünen im Parlament lehnte in der vergangenen Woche im Landesparlament einen Vorstoß der AfD ab, bei der Landespolizei den Einsatz dieser Distanzwaffen im größeren Maßstab zu erproben. Thüringen könne auf die Ergebnisse der entsprechenden Pilotprojekte in Ländern wie Berlin und Rheinland-Pfalz warten beziehungsweise darauf zurückgreifen, erklärte unter anderem Thüringens Innenstaatssekretär Udo Götze (SPD) und der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dirk Adams. Nicht jedes Land müsse seine eigenen Versuche zum Einsatz dieser Waffe machen.
Taser verschießen kleine Metallpfeile, die an dünnen Kabeln hängen. Über diese Kabel kann ein starker Elektroschock in den Körper eines Angreifers übertragen werden. Taser sehen Pistolen sehr ähnlich. Ihre realistische Einsatzdistanz beträgt bis zu etwa fünf Meter. Derzeit sind nur die Spezialeinheiten der Thüringer Polizei mit diesen Waffen ausgerüstet. Diese Einheiten werden immer dann gerufen, wenn mutmaßliche Straftäter bewaffnet sind oder sein könnten oder sie als besonders aggressiv gelten. In anderen Bundesländern wird erprobt, ob auch Streifenpolizisten mit Tasern ausgestattet werden sollten.
Befürworter dieser Waffen argumentieren, Taser seien ein milderes Einsatzmittel als Schusswaffen. Der AfD-Abgeordnete Stefan Möller etwa sagte, der Schuss aus einer Pistole auf die Brust eines Menschen führe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dessen Tod. Der Schuss mit einem Taser auf die Brust eines Menschen werde dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit keine bleibenden Schäden hinterlassen. Polizisten bräuchten ein Einsatzmittel, um sich wieder Respekt zu verschaffen. Gleichzeitig warf Möller der Thüringer Polizei vor, diese sei in der Vergangenheit bei linken Demonstrationen aus Angst vor politischen Konsequenzen nicht entschieden genug gegen die Demonstranten vorgegangen.
Der CDU-Innenpolitiker Raymond Walk sagte, seine Fraktion plädiere zumindest für eine Debatte in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments über ein Thüringer Pilotprojekt zum Einsatz von Tasern. Es gelte, eine Lücke im Waffenarsenal der Polizei zu schließen, die es zwischen Schlagstock und Pfefferspray auf der einen und Schusswaffe auf der anderen Seite gebe. Jedoch wird es diese Debatte in den Ausschüssen nicht geben, eben weil Rot-Rot-Grün den Antrag der AfD komplett ablehnte und auch nicht zur Weiterberatung in die Gremien des Landtages überwies.
Unmittelbar nach den Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg hatte auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Thüringen gefordert, man müsse darüber sprechen, wie bei der Landespolizei eine Fähigkeitenlücke geschlossen werden könne. Jedoch hatte der GdP-Landesvorsitzende Kai Christ diese Lücke dabei vor allem auf die Reichweite der vorhandenen Waffen bezogen. Nicht so sehr auf deren Effektivität. Für Einsatzdistanzen zwischen 20 und 50 Metern seien nach seiner Einschätzung zusätzliche Waffen bei der Thüringer Bereitschaftspolizei nötig, hatte er gesagt. »Das würde auch den ein oder anderen Schlagstockeinsatz verhindern.« Christ hatte dabei aber auch betont, in dieser Diskussion müsse man sehr sorgfältig abwägen, ob angeblich nicht-tödliche Waffen - zu denen Taser ebenso gehören wie Gummigeschosse - wirklich so ungefährlich seien, wie deren Hersteller und Befürworter es angeben.
Und auch aus Sicht von Mitgliedern der drei Regierungsfraktionen sind insbesondere Taser durchaus sehr gefährliche Geräte. Es seien keine harmlosen Waffen, erklärten sie. Gerade bei Älteren, Schwangeren und Menschen mit Herzkreislaufproblemen, könne ihr Einsatz tödliche Folgen haben, sagte beispielsweise die SPD-Abgeordnete Dorothea Marx. In den USA, wo Taser regelmäßig von Polizisten und auch von Mitarbeitern von Gefängnissen eingesetzt würden, habe es seit dem Jahr 2000 schon mehr als 1000 Taser-Tote gegeben. Götze mahnte zudem, wenn man Polizisten mit diesen Waffen ausrüste, bedeute das eine deutliche Mehrbelastung bei der Ausbildung der Beamten. Besser, als die Polizei immer weiter aufzurüsten, sei es, in gefährlichen Situationen zunächst deeskalierend zu handeln, um jegliches Aufschaukeln der Lage zu verhindern. Andersfalls drohten Situationen völlig außer Kontrolle zu geraten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.