Polizist nach Gewalt gegen Legida-Gegner verurteilt

Richterin verurteilt Polizisten wegen Angriffen auf Demonstranten zu Bewährungsstrafe

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 3 Min.

Während nach den G20-Protesten in Hamburg 115 mutmaßlich gewalttätige Polizisten noch auf eine Anklage warten, wurde in Leipzig ein Beamter für Angriffe auf Demonstranten zu einem Freiheitsentzug von neun Monaten verurteilt – auf Bewährung. Der Polizist muss außerdem 1000 Euro an den Verein Opferhilfe zahlen.

Die Richterin Martina Kadler-Orthen sah es als erwiesen an, dass Nico S. einen Gegendemonstranten des Legida-Aufmarschs am 20. April 2015 grundlos mit der Faust ins Gesicht schlug. Der 28-Jährige trat zudem mehrfach mit seinen schweren Einsatzstiefeln in Richtung von sitzenden Blockierern und besprühte sie ohne Vorwarnung mit Pfefferspray. Die Richterin setzte die Strafe auf Bewährung aus, weil der Polizist nicht vorbestraft war, berichtet die »Leipziger Volkszeitung«. Verurteilt wurde er unter anderem wegen gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung im Amt.

Der Polizist war bei den antifaschistischen Protesten selbst zur Beweissicherung eingeteilt und trug eine Videokamera bei sich, griff dann aber selbst gewalttätig in das Geschehen ein.

Interessant an dem Urteil ist insbesondere die Begründung der Richterin. Sie führte an, dass der Beamte bei seinen Tritten Verletzungen in Kauf genommen und die Androhung des Einsatzes von Pfefferspray gegen Blockierer versäumt habe. Demonstranten hätten »natürlich auch kein Recht darauf, eine Kreuzung zu blockieren«, zitiert die »Leipziger Volkszeitung« die Juristin, aber weiter: »Das sind Störer, aber das rechtfertigt nicht den Einsatz jeden Mittels. Auch Störer haben ein Recht auf persönliche Unversehrtheit«.

Die Argumentation der Verteidigung, massive Drohungen aus der linksradikalen Szene im Vorfeld der Proteste würden den Faustschlag des Polizisten rechtfertigen, folgte die Richterin nicht. »Gegendemonstranten sind eine bunte Mischung«, erklärte sie. »Demonstranten sind auch Bürger, die einfach ein Zeichen gegen rechtspopulistische Parolen setzen wollten. Man darf als Beamter nicht immer alle in einen Topf werfen.«

Nach G20: Ermittlungen gegen 115 Polizisten

Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wurden auch nach dem Großeinsatz bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg eingeleitet. Insgesamt 115 Polizisten stehen im Fokus, hat eine parlamentarische Anfrage der LINKE-Abgeordneten Christiane Schneider in der Hamburger Bürgerschaft ergeben. Anklage wurde bislang keine erhoben.

Die Menschenrechtsorganisation »Amnesty International« beklagt dies. Es stehe zu befürchten, dass dies auch an der fehlenden Kennzeichnung eingesetzter Polizisten liege. Amnesty International fordert eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Derzeit gilt eine solche nur in acht Bundesländern, Nordrhein-Westfalen hat sie vor Kurzem wieder abgeschafft. »Sollten aus diesem Grund am Ende viele, wenn nicht sogar alle Verfahren gegen Polizeibeamt*innen eingestellt werden, so würde dies das Vertrauen in den Rechtsstaat massiv beschädigen«, so Amnesty.

Umfangreicher wird gegen Protestierer ermittelt: Am Montag wurden Fotos und Videos mit 104 Verdächtigen auf die Webseite der Hamburger Polizei gestellt. Bürgerrechtler und Linke kritisieren diese Form der Öffentlichkeitsfahndung scharf. Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der LINKEN, weist darauf hin, dass die politisch Verantwortlichen und die Polizei in Hamburg von Anfang an auf Eskalation gesetzt hätten. Demonstranten wären dadurch verletzt, Journalisten an ihrer Berufsausübung gehindert wurden. »Wer die Gewalt beim G20-Gipfel beklagt, darf zu den Umständen nicht schweigen, die soweit geführt haben.«

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