All mein Bestreben wollte das Licht

Die Villa Oppenheim und das Potsdam-Museum würdigen den expressionistischen Künstler Fritz Ascher

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.

Leicht gestützt in die Hand hält er den Kopf, lächelt fröhlich und optimistisch. So malt ihn sein Freund Eduard Bischoff 1912 in warmen Brauntönen, die Lippen so frisch rot wie der markant ins Bild tretende Schlips. Fritz Ascher, jener Porträtierte, und Bischoff studieren damals gemeinsam an der Kunstakademie Königsberg, wohin Max Liebermann den als talentiert erkannten Anfänger freundlichst empfohlen hatte. Nichts deutet zu dieser Zeit auf das tragische Schicksal hin, das Ascher völlig aus der Bahn werfen, ihn den Menschen entziehen wird. Einsamkeit und die in seinen Werken produktiv gemachte Natur bleiben bis zum Lebensende seine Zuflucht.

Dabei wird Ascher 1893 als Zahnarztsohn in eine wohlhabende jüdische Familie hineingeboren, mit einer Wohnung erst in der Friedrichstraße, später einer großzügigen Villa in Zehlendorf. Nach Aschers Rückkehr aus Königsberg vervollkommnet er sich bei Lovis Corinth, reist nach Oslo, wo er auch Edvard Munch begegnet. In München freundet er sich 1918, vom Weltkrieg offenbar verschont, mit Künstlern der »Brücke« und des Satireblatts »Simplicissimus« an, beschickt Ausstellungen mit Bildern. Er verehrt Beethoven und Käthe Kollwitz, studiert die Koryphäen der Renaissance, steht jedoch dem Expressionismus nahe.

Nach dem Austritt der Familie aus dem jüdischen Glauben malt Ascher, einem Hang zu Mythen folgend, großformatige Gemälde von starker Ausdruckskraft: »Golgatha« 1915, »Golem« 1916. Beide gelten heute als Hauptwerke seines Schaffens. 1922 und 1924 kann er noch in der Kunstschau am Lehrter Bahnhof ausstellen. Ab 1933 ist er, obwohl nun assimilierter Nicht-mehr-Jude, Verfolgung und Verfemung ausgesetzt, geht seines väterlichen Erbes verlustig, muss oft den Wohnort wechseln, so auch nach Babelsberg.

Mehrfach auch wird er verhaftet, entgeht der Deportation nur durch den Hinweis eines Polizeimeisters. Drei Jahre lang lebt Ascher untergetaucht bei der Mutter eines Freundes im Grunewald im Kohlenkeller, den er nicht verlässt. Auf der anderen Straßenseite haben Nazibonzen Einzug gehalten, leben jedoch auch Widerstandskämpfer. In Gedichten befreit sich Ascher von quälenden Ängsten.

Nach dem Krieg ist er physisch und psychisch gezeichnet und bleibt bis zum Tod 1970 bei jener Mutter wohnen. Sie sichert seine Existenz, beschützt den menschenscheu Gewordenen. Nur ausgedehnte Spaziergänge durch den Grunewald halten ihn am Leben, Natur wird malerisch zum Hauptmotiv. Lediglich zweimal findet er sich zu Ausstellungen bereit, 1946 zusammen mit Bernhard Heiliger, dann erst wieder 1969.

Kurz vor Aschers 125. Geburtstag trägt derzeit die erste große Retrospektive zur Wiederentdeckung eines kaum mehr bekannten Malers und Dichters bei, den der Faschismus um seine Karriere gebracht hat. Die rund 80 Exponate umfassende Schau, ermöglicht von der Fritz-Ascher-Society New York, teilt sich auf zwei Orte auf. Widmet sich das Potsdam-Museum eher dem Frühwerk, so zeigt die Villa Oppenheim in Berlin auch Werke aus der Spätzeit. Sie kontrastieren stark mit den Grafiken der Frühphase.

Ascher zeichnet da in geradezu satirischem Duktus und voller Lebenslust Menschen, wie er sie 1913 beobachtet. Etwas kauzig gehört Max Liebermann dazu; im Profil auch ein Alter mit Brille auf riesiger Hakennase; ein buckelnder Intrigant; der eifernde Dirigent; die zudringliche Dame, deren kussgespitzter Mund von ihrem Gegenüber abgewiesen wird. Ungemein eindringliche Akte titanischer Männer mit Krallenhänden sowie extrem verdichtete Figurenkompositionen weisen auf die erwähnten zwei Hauptwerke hin, die in der Villa Oppenheim als Repros zu sehen sind. Auch Sportszenen in ihrer Dynamik, ob Boxkampf oder Fußballspiel, gestaltet Ascher, ein zeitbedingtes Sujet aufgreifend.

Beängstigend dann, was er nach dem Krieg vielen seiner zuvor entstandenen Werke antut. Dem Gemälde »Beethoven« von 1924 bringt er 1945 in rasender Befreiungswut Farbpunkte und Pinselstriche auf, die den Komponisten pointillistisch grob zerlegen. Aus »Bajazzo und Artisten« von 1916, entstanden unter dem Eindruck Enrico Carusos als Titelgestalt der Oper von Leoncavallo, wird vor düsterem Grün 1945 eine Ansammlung Gehetzter mit angstgepeinigtem Blick hinter dem gesprenkelten Überzug. Selbst der »Wald« von 1920 erscheint undurchdringlich.

Erlösung findet Ascher in Naturbildern: dichten Baumgruppen, mit und ohne Durchgang; in Sonnenblumen, die ihre Köpfe dem Betrachter entgegenrecken; in glühenden Gemälden von Sonnenuntergang und mondbeschienener Nacht. Abkehr vom Leben und zugleich Sehnsucht danach manifestieren sich in ihnen.

»Leben ist Glühn. Der deutsche Expressionist Fritz Ascher«, bis zum 11. März in der Villa Oppenheim, Schloßstr. 55, Charlottenburg, und im Potsdam-Museum, Am Alten Markt 9, Potsdam

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