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Kein Bock auf ein Podium mit der AfD

Jugendorganisationen von SPD, Grünen und Linkspartei sagen geplanten TV-Talk mit Vertreter der Rechtsaußenpartei ab

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die letzten Wochen des Jahres sind auch im TV traditionell die Zeit für einen Rückblick auf die vergangenen 12 Monate. Dem politischen Jahr 2017 wollte sich der öffentlich-rechtliche Dokusender Phoenix mit einem Polittalk unter dem Titel »Was muss sich 2018 ändern?« widmen. Kein schlechtes Thema am Ende eines Wahljahres, zumal weiterhin völlig unklar ist, welche Parteien Teil der künftigen Bundesregierung sein werden. Und weil es bei diesem Rückblick dabei auch um die Zukunft geht, sollte der »Phoenix Talk« mit »jungen Politikern« stattfinden, wie es in der Ankündigung zur Sendung heißt. Also lud der öffentlich-rechtliche Kanal Vertreter*innen der Jugendorganisationen aller im Bundestag vertretenden Parteien ein. Bekanntlich gehört dazu seit September auch die AfD.

Doch als Jusos, Grüne Jugend und Linksjugend ['solid] davon erfuhren, wen die Nachwuchsorganisation der Rechtsaußenpartei auf das Podium schicken würde, entschieden die drei Jugendorganisationen, nicht an der Runde teilzunehmen, die bereits am vergangenen Mittwoch in Berlin stattfand. »Für uns als antifaschistische Jugendorganisationen ist klar, dass die AfD kein Teil der demokratischen Parteienlandschaft ist«, stellen die Organisationen nun in einer gemeinsamen Erklärung klar. Die Partei treibe die »Normalisierung und Etablierung rechter Hetze voran« und sei in Teilen ein Sammelbecken der extremen Rechten.

Allerdings ergibt sich für Jusos, Grüne Jugend und Linksjugend daraus nicht, grundsätzlich alle Diskussionsveranstaltungen zu boykottieren, an denen auch Vertreter*innen der AfD teilnehmen sollen. »Wir bewerten und entscheiden dies von Fall zu Fall. Bei dieser Entscheidung berücksichtigen wir neben der Fragestellung oder dem Setting der Diskussion auch die Person, welche die AfD vertritt.« Eine Grenze sei bei Personen erreicht, die zuvor in rechtsextremen Organisationen aktiv gewesen sind, etwa bei den Identitären, der NPD oder auch der German Defence League (GDL).

Die Einladung von Markus Frohnmaier, Co-Vorsitzender der Jungen Alternative (JA) und Bundestagsabgeordneter, war letztlich für die Absage der drei linken Nachwuchsorganisationen ausschlaggebend. Der JA-Chef gehöre zum rechten AfD-Rand und sei ein enger Vertrauter des völkischen Nationalisten Björn Höcke, heißt es in der Begründung. Zudem gebe es »zahlreiche Belege«, wonach Frohnmaier vor seiner Zeit in der AfD in der rechtsextremen GDL aktiv gewesen sein soll. Die Vorwürfe gibt es schon seit einigen Jahren, zuletzt neu aufgeflammt waren sie 2016 aufgrund von Recherchen des ZDF-Magazins Frontal 21 und der Badischen Zeitung. Frohnmaier bestreitet die Anschuldigungen, gegenüber der Zeitschrift »Neon« räumte er bisher lediglich den einmaligen Besuch eines GDL-Stammtisches ein.

phoenix Runde: "Jahresrückblick auf Berlin - Was muss sich 2018 ändern?" vom 20.12.2017

Doch die linken Jugendorganisationen stört noch mehr an dem umstrittenen JA-Chef: Nachdem sich Frohnmaier 2016 noch von den Identitären distanziert hatte, traf er sich 2017 öffentlich mit Martin Sellner, einem der führenden Köpfe der völkischen Organisation. Auch gegenüber der neurechten »Zuerst!«, die sich selbst vielsagend als »Deutsches Nachrichtenmagazin« bezeichnet, gibt sich Frohnmaier aufgeschlossen. Daran zeige sich, »dass Frohnmaier eine Schnittstelle zwischen der AfD und der rechtsextremen Szene darstellt«, so Jusos, Grüne Jugend und Linksjugend.

Zudem sei der JA-Chef in der Vergangenheit mit »menschenverachtenden Aussagen« aufgefallen, so etwa 2015 in einer Rede in Erfurt. In seinem Beitrag hatte Frohnmaier gedroht:

»Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde!«

Mit solchen Aussagen habe sich der AfD-Politiker vollkommen als Teilnehmer am demokratischen Diskurs delegitimiert, so die Einschätzung der drei linken Parteijugendorganisationen. Zwar sei man gegenüber »kontroversen demokratischen Streits« und für »polarisierende Debatten« offen, doch bedeute dies nicht, » jede Position, gerade solche aus dem rechtsextremen Spektrum«, diskutieren zu müssen.

Es sei ohnehin falsch zu glauben, Antidemokrat*innen durch das bessere Argument stellen zu können. Diese Überzeugung verkenne die Diskursstrategie der Rechten, bei der es nicht darum gehe, durch Argumente zu überzeugen. »Vielmehr wollen sie durch gezielte Tabubrüche und Provokationen den Diskursrahmen selbst angreifen.«

Deshalb sei es für Jusos, Grüne Jugend und Linksjugend nicht vertretbar, an einem Podium teilzunehmen, auf dem JA-Chef Frohnmaier sitzt. »Wir erwarten von einem Sender wie Phoenix mehr Sensibilität im Umgang mit Vertreter*innen der AfD und eine klare Abgrenzung zu rassistischen, rechten und antidemokratischen Standpunkten«, fordern die Jugendverbände in ihrer Stellungnahme.

Getalkt hatte Phoenix am Ende aber dennoch. Sowohl der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß (32), als auch Florian Philipp Ott (29), stellvertretender Vorsitzender der Jungen Liberalen, hatten keine Gewissensbisse, mit Frohnmaier in einem TV-Sudio zu sitzen. Und mit der SPD-Politikerin Daniela Kolbe (37) fand sich sogar irgendwie eine Vertreterin der politischen Linken hierzulande. Für die Jusos sprach sie dabei allerdings nicht. Für die Jugendorganisation ist Kolbe bereits zwei Jahre zu alt.

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