Wenn der Zapfhahn trocken bleibt
Rheinland-Pfalz: Jedes dritte Dorf ohne Gasthaus
Mainz. Kein Stammtisch mehr und auch keine Partys im Hinterzimmer: In Rheinland-Pfalz gibt es immer weniger Dörfer mit Gaststätten. Vor sechs Jahren konnten die Menschen noch in 63 Prozent der Dörfer essen und trinken gehen, vor zwei Jahren war das nur noch in 59 Prozent der Dörfer möglich. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Fraktion hervor.
In den kommenden Jahren sei mit zahlreichen weiteren Schließungen zu rechnen, sagte der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Rheinland-Pfalz, Gereon Haumann. »Wir kriegen ein flächendeckendes Sterben von Landgastronomie.« Wegen höherer Steuern, mehr Bürokratie und zahlreicher anderer politischer Entscheidungen reiche das Geld den Gastwirten nicht mehr zum Leben.
Das Ministerium sieht einen Grund für die Schließungen in einer Verlagerung des gesellschaftlichen Lebens. Da immer mehr Menschen nicht mehr in ihrem Wohnort arbeiteten, spiele sich auch ihre Freizeit häufiger außerhalb ab. Außerdem seien mehr Menschen mobil, sodass sie überregionale Freizeitangebote nutzten. Auch dürften viele Gaststätten geschlossen worden sein, weil keine Nachfolger gefunden wurden.
Haumann macht eine ganze Liste von Gründen für die Schließungen verantwortlich. Die Gastwirte versuchten, viele der negativen Effekte mit mehr Fleiß und der Einbeziehung aller Familienmitglieder auszugleichen - aber irgendwann gehe es nicht mehr. »Da kommt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.«
Mit beigetragen haben laut Haumann das Nichtraucherschutzgesetz und die herabgesetzten Promillegrenzen im Straßenverkehr. »Beides ist gesundheitspolitisch wichtig«, betonte er. Aber für die Gastwirte sei das nicht gut gewesen. Hinzu gekommen sei die kommunalpolitische Entscheidung, in vielen Dörfern Gemeinschaftshäuser zu errichten. »Das hat zu einem Ausfall des erträglichen Saalgeschäfts geführt.« Früher sei von Taufen bis Beerdigungen viel Umsatz generiert worden.
Zudem müssten die Gaststättenbetreiber mehr Vergnügungssteuer für Geldspielautomaten zahlen. Und der maximale Umsatz pro Gerät sei reduziert worden. Auch die Einführung des Mindestlohns sei zu spüren. Hinzu kämen Tourismusabgaben an allen möglichen Orten. »Das macht das Führen von Betrieben rein betriebswirtschaftlich unattraktiv.« dpa/nd
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