Tarifeinheit soll Geschichte sein

Ärztegewerkschaft Marburger Bund fordert von Arbeitgebern Zulassung von Verträgen mit mehren Gewerkschaften in einem Betrieb

  • Lesedauer: 3 Min.

Im andauernden Ringen um das Tarifeinheitsgesetz hat der Marburger Bund die Arbeitgeber aufgerufen, mehrere Tarifverträge in einem Betrieb zuzulassen. »Sie würden sich ja selbst schaden, wenn sie auf einer verordneten Tarifeinheit bestehen würden, die von den Beschäftigten in den Krankenhäusern abgelehnt wird«, sagte der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Rudolf Henke, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Mit dem Gesetz wollte die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sicherstellen, dass es pro Betrieb immer nur einen Tarifvertrag geben kann. Im Falle konkurrierender Abschlüsse sollte nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb gelten. Die unterlegene Gewerkschaft könnte sich laut Gesetz nachträglich dem Tarifvertrag anschließen. Wer die meisten Mitglieder hat, sollen im Zweifel Gerichte entscheiden. Kritiker hatten Nahles vorgeworfen, mit dem Gesetz vor allem Streiks der Lokführergewerkschaft GDL stoppen zu wollen, die 2014 den Bahnverkehr teils lahmgelegt hatten.

Henke rief die Arbeitgeber nun dazu auf, einen anderen Weg mitzugehen. Gemeinsam mit der DGB-Gewerkschaft ver.di habe der Marburger Bund am 1. Dezember eine Vereinbarung geschlossen, mit der verhindert werden solle, »dass der Tarifvertrag der jeweils anderen Gewerkschaft durch eine etwaige Mehrheitsfeststellung im Betrieb verdrängt werden kann«.

Zunutze gemacht habe man sich dabei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Gesetz vom 11. Juli, erläuterte Henke. Damals hatten Marburger Bund, ver.di und andere Gewerkschaften geklagt, die um ihre Durchsetzungskraft oder gar Existenz fürchteten. Laut dem Urteil kann durch eine tarifvertragliche Regelung ausgeschlossen werden, dass es zu einer Feststellung der Gewerkschaftsmehrheit in einem Betrieb kommt.

»Der Ausschluss der Verdrängungswirkung soll stets als weitere Tarifforderung gegenüber den Arbeitgebern oder ihren Verbänden erhoben und zur Voraussetzung eines Tarifabschlusses gemacht werden«, sagte Henke. Beide Gewerkschaften sollten das Recht haben, für ihre Mitglieder tarifliche Regelungen zu treffen, die von den Bestimmungen des Tarifvertrages der anderen Gewerkschaft abweichen. »Jetzt liegt es an den Arbeitgeberverbänden, im Interesse einer stabilen Tarifpartnerschaft die ausgestreckte Hand zu ergreifen.« Ein Flickenteppich an Tarifverträgen - je nach Mehrheit im Betrieb - dürfe es nicht geben. Konflikte dürften nicht in die Belegschaft getragen werden.

Im Blick hat der Chef der Ärztegewerkschaft dabei die Krankenhäuser. Dort wolle man die »Arbeitsteilung« der Gewerkschaften erhalten. »Ich bin guten Mutes für die anstehenden Tarifverhandlungen.« Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske sagte, er respektiere die Tarifvielfalt in Krankenhäusern. »Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen.«

Die kommunalen Arbeitgeber hatten sich bereits skeptisch zum Weg von Marburger Bund und ver.di geäußert. Der Verband VKA will kollidierende Tarifverträge vermeiden und meint, es sei nicht der richtige Weg, die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes tarifvertraglich auszuschließen. Die VKA forderte die Gewerkschaften auf, ihre Zuständigkeitsbereiche abzugrenzen oder Verhandlungsgemeinschaften zu bilden.

Henke erinnerte daran, dass Karlsruhe dem Gesetzgeber Nachbesserungen des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2018 auferlegt hat. Die Parteien sollten erkennen, dass das Gesetz ein Irrtum sei. »Am besten ist es, das Gesetz komplett aufzuheben und damit den verfassungsrechtlichen Bedenken im vollen Umfang Rechnung zu tragen.« dpa/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal