Zwickau feiert ein Jahr lang sich selbst

Sachsens viertgrößte Stadt begeht ihre erste Erwähnung vor 900 Jahren mit vielen Veranstaltungen - einen Festumzug wird es aber nicht geben

  • Claudia Drescher, Zwickau
  • Lesedauer: 4 Min.

Schick mit schwarzer Fliege kommt er daher und ist dabei sehr gelenkig im Nacken: Der Zwickauer Spaßvogel hat sich für das 900-jährige Bestehen seiner Heimatstadt in Schale geworfen. Geschlüpft ist der hölzerne Vogel in der Drechslerei von Daniel Baumann, dessen Großonkel als James Bond-Bösewicht «Goldfinger» weltberühmt wurde. Der gebürtige Zwickauer Gert Fröbe wirbt nun auf Plakaten ebenso für den runden Geburtstag wie der Komponist Robert Schumann, der Künstler Max Pechstein oder der Trabant. «Mit dem Stadtjubiläum möchten wir auf ganz unterschiedliche Weise zeigen, wie vielfältig Zwickau ist», sagt Projektleiterin Grit Weise vom Zwickauer Kulturamt.

Mit über 100 Veranstaltungen feiert die viertgrößte Stadt Sachsens in diesem Jahr ihre urkundliche Ersterwähnung. Mehr als eine Million Euro lässt sie sich das kosten. Seit drei Jahren laufen die Vorbereitungen. Mit einem großen Feuerwerk zum Jahreswechsel startete die Stadt ins Festjahr, das mit einer Bergparade am 15. Dezember seinen Abschluss finden soll.

Dazwischen sind neben fünf Sonderausstellungen zahlreiche Konzerte, Vorträge, Theaterstücke sowie weitere Kultur- und Sportveranstaltungen geplant. So beschäftigen sich unter anderem Wissenschaftler bei einem Kolloquium am 8. März unter dem Titel «Muldeperlen» mit Zwickauer Frauengeschichte(n). Die Deutsche Gilde der Nachtwächter und Türmer trifft sich ebenso an der Mulde wie die Crème de la Crème in Sachen Hiphop- und Streetdance. Zudem feiert die Auto-Stadt im August einen Automobiltag, der den Bogen spannt von Horch, über Trabi bis VW.

In der Festwoche vom 1. bis 5. Mai ist neben einem Festakt im Dom unter anderem ein «Festival of Lights» geplant. «Dabei soll an historischen Gebäuden Stadtgeschichte mithilfe von Projektionen lebendig werden», so Weise. Auf einen historischen Festumzug hingegen habe man bewusst verzichtet. Der Aufwand für drei Stunden Umzug ist enorm«, sagt Stadtsprecher Mathias Merz. Und dann sei Ganze wie beim Tag der Sachsen im Jahr 2000 vielleicht auch wieder verregnet. Stattdessen setze man in anderer Form auf die Zwickauer. Rund 70 Vereine, Unternehmen und Institutionen bringen sich laut Merz ein. Sei es durch Spenden - zum Beispiel für ein beleuchtetes Wasserspiel auf dem Hauptmarkt oder für einen neuen Spielplatz als Geschenk von großen Zwickauern für kleine Zwickauer - oder durch die Organisation eines Sportevents.

Neben Ereignissen, die extra für die 900 Jahre auf die Beine gestellt werden, sollen traditionelle Veranstaltungen integriert werden. So werde es die »Tage der Demokratie und Toleranz« geben, die mit dem NSU auch ein dunkles Kapitel nicht außen vor lassen.

Zum ersten Mal Eingang in eine Urkunde fand das »territorio Zcwickaw« 1118. Was in den vergangenen 900 Jahren in der Stadt geschehen ist, kann man zum Jubiläum in einer neuen Chronik nachlesen - deren erste Auflage mit 1600 Stück war allerdings nur wenige Tage nach Erscheinen bereits ausverkauft.

»Zwickau besaß bisher keine aktuelle und wissenschaftlich fundierte Chronik«, erläutert Merz. Das letzte stadtgeschichtliche Werk stamme aus den 1990ern und sei seit Jahren vergriffen. Ein 20-köpfiges Redaktionsteam um Kulturamtsleiter Michael Löffler arbeitete nun knapp fünf Jahre lang an den rund 1400 Seiten der neuen, dreibändigen Chronik.

Neben reinen Zahlen und Fakten beleuchten Artikel wichtige Etappen: Von der Frühgeschichte, über die Zeit der Reformation, die Industrialisierung bis hin zum Steinkohlenbergbau. In einem Essay schildert der Kabarettist Bernd-Lutz Lange - aufgewachsen in Zwickau - die Entwicklung nach der Wende.

Wer keine Chronik mehr ergattern konnte und auch die auf 900 Stück limitierte Auflage des Festvogels verpasst hat, kann sich trotzdem noch mit Jubiläumsartikeln eindecken. In der Auswahl sind zum Beispiel ein Sondertrikot des Fußball-Drittligisten FSV Zwickau oder zwei Gedenkmedaillen aus reinem Silber oder Gold - alles begrenzt auf 900 Stück beziehungsweise 90 im Falle der hochpreisigen Goldmünzen, für die man rund 1300 Euro hinblättern muss. Deutlich günstiger, dafür aber auch nicht limitiert, lässt sich per Stockschirm oder Stoffbeutel mit dem Logo der 900-Jahrfeier glänzen. Ab drei Euro sind Zwickau-Fans dabei. dpa/nd

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