Dann geht doch alles wieder von vorne los

»Drei Bärtige« mühen sich in der Schaubude mit Kaufmann & Co. ums Volk

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Ach, der Schöpfer liebt seine Geschöpfe. Die Hände noch voller Holzsplitter, liebkost er seine Wesen, die er mit seinen Gefährten schuf. Er gehört zu den drei Bärtigen mit der falschen haarigen Gesichtsverkleidung. Wenn sie diese angelegt haben, erscheinen sie dem Volk, werden von ihm gesehen, manchmal beachtet, manchmal nicht. Und das ist schon die Wurzel allen Ärgernisses. Gern wollen die drei lange Gutmütigen die Geschicke der Kreaturen lenken. Auf zwei Tischen soll sich das alles abspielen als eine Art Beratungsmuster fürs große Ganze, für die Welt. Alles wird fleißig dokumentiert, ein geschichtliches Ereignis nach dem anderen vom nächsten überschrieben und vergessen.

Einen poetischen Weg geht das Berliner Puppenspielkollektiv Kaufmann & Co. mit seiner neuen Produktion »Drei Bärtige«, die in der Schaubude, der Spielstätte für Kunst mit Puppen, Figuren und Objekten, Premiere feierte. Nach der vom Ensemble gemeinsam erarbeiteten Erzählung spielen Alexandra Kaufmann, Eva Kaufmann und Gyula Molnár mit den unter ihrer Beteiligung entstandenen Holzpuppen und Objekten von Gigio Brunello in Szenografie und Licht von Werner Wallner unter der Regie von Francesca Bettini.

Gute Künstler, gute Geschichte. Es könnte alles prima und perfekt sein, wenn das Volk nicht wäre, wie es ist. Das nämlich geht seinen Schöpfern auf die Nerven und keineswegs um den Bart, vielmehr können diese sich ihn raufen. Denn kaum, dass die Wesen abgenabelt sind, werden sie unbelehrbar. Sie wandern starrsinnig ungeplante Wege, lassen sich zu keineswegs von den Bärtigen erdachten aggressiven Handlungen hinreißen. Punktum, sie vergessen rasant, woher sie kommen. Sie sind unbelehrbar, machen, was sie wollen. Und nur kurz hält sich die im Untertitel des Stücks genannte Wunschvorstellung: »Sieh, wie friedlich das Volk in meinen Armen schläft.«

Ob überhaupt jemand die drei Bärtigen darstellen soll, darüber mag sich jeder selbst den Kopf zerbrechen. Wichtiger ist, welche Parallelen sich hier aufbauen, deren Benennung jedoch geschickt umspielt wird. Hintergründig transportiert die kleine Geschichte auf den Tischen der Bärtigen durchaus Politik, spornstreichs wider besseres Wissen in Angriff genommene Fehler und merkwürdige, unverschämt werdende Helden. Da geht also eine Menge nach hinten und zum Schluss wieder von vorne los. Denn, was hier letztlich passiert, hat in der Tat einen sehr langen Bart. Die räumlichen Möglichkeiten des Bühnenbilds werden im Spiel von den Puppenspielern auf humorvolle Art genutzt.

Kaufmann & Co. sind mit Stücken für Kinder und für Erwachsene sehr produktiv und gut aufeinander eingespielt. Zu ihren Prämissen gehört, dass sie versuchen, Schweres leicht und Kleines groß zu spielen, dass sie den Zuschauer brauchen, der ihre Geschichten vollendet. Solchen Vorsätzen sind sie mit ihrer neuen, vom Senat geförderten Produktion wieder gefolgt.

Wiederholt hat die Truppe bei ihrer Arbeit Unterstützung durch die Schaubude in Prenzlauer Berg erfahren. Das macht sie sicher zu fröhlichen Gratulanten, wenn die Bühne, die 2017 für ihr anspruchsvolles Programm den »Theaterpreis des Bundes« erhielt, 2018 ihr 25. Jahr an der Greifswalder Straße feiert.

Neue künstlerische Wege sind in diesem Haus immer willkommen. Momentan wird einmal monatlich das Format »Impro-Visionen« vorgestellt. Hierbei arbeitet das Film-Riss-Theater mit Schauspiel, Leinwand und Objekten. Es braucht für gelungene Vorstellungen spontan gute Einfälle und wie die Kaufmanns auch ein engagiertes Publikum. Allerdings sofort. Gemeinsam mit ihm will es im Januar »Von Menschen, Göttern und vergifteten Äpfeln« erzählen.

Nächste Vorstellungen: 12. und 13. Januar in der Schaubude, Greifswalder Straße 82, Prenzlauer Berg

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