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Union will AfD Vorsitz im Haushaltsausschuss überlassen

Jusos Berlin appellieren an SPD-Führung, Rechtsaußen-Partei nicht zur größten Oppositionsfraktion zu machen

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Berlin. CDU und CSU wollen keine Sonderregelung für die Besetzung der Ausschüsse des Bundestags wegen der nationalistischen AfD. »Es gibt eine gute parlamentarische Regel, die heißt, dass die größte Oppositionsfraktion den Vorsitz im Haushaltsausschuss hat«, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag. »Es gibt aktuell aus unserer Sicht kein Argument, dass wir von dieser Situation abweichen sollten.« Komme es zur GroKo, habe die AfD den Anspruch auf die Führung des Haushaltsausschusses. Man dürfe den geübten Parlamentarismus wegen der AfD nicht in Frage stellen, sagte Dobrindt.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), sprach sich gegen Sonderregelungen wegen der AfD aus. Nach politischem Brauch steht der größten Oppositionsfraktion der Vorsitz im für die Verteilung der Finanzen entscheidenden Haushaltsausschuss zu.

Auch die Jusos Berlin Pankow machten erneut auf die bisherigen Parlamentstraditionen aufmerksam. Allerdings wollen sie verhindern, dass die AfD etwa den Vorsitz des Haushaltsausschusses übernimmt, indem die SPD sich nicht auf eine neue Große Koalition einlasst. »Mit der erneuten GroKo wäre die AfD die größte Oppositionspartei. Damit hätte sie z.B. den Vorsitz im Haushaltsausschuss, das Rederecht direkt nach der Kanzler*in und noch mehr mediale Aufmerksamkeit. Das dürfen wir nicht zulassen! #nogroko«, hieß es am Montagabend im Kurznachrichtendienst Twitter.

Trotz der schleppenden Regierungsbildung will der Bundestag in dieser Woche wieder Fachausschüsse einsetzen. Vorerst soll es dieselben Ausschüsse wie in der vergangenen Wahlperiode geben. Je nach Zuschnitt einer neuen Regierung sind dann spätere Änderungen möglich. Zunächst hatte das Parlament nur einen Hauptausschuss eingesetzt, der als Übergangsgremium über sämtliche Vorlagen berät.

AfD will Boehringer für Vorsitz nominieren und hält an Glaser fest

Es spreche einiges dafür, »dass wir den Haushaltsausschus für uns in Anspruch nehmen wollen«, sagte derweil der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, am Dienstag in Berlin. Es sei seit Jahrzehnten Usus, dass die größte Oppositionspartei den Vorsitz in diesem Ausschuss für sich beanspruche, fügte Baumann in der Annahme hinzu, dass es eine Große Koalition aus Union und SPD geben wird.

Der Haushaltsausschuss sei zudem »Hauptoppositionsanker«, und gebe somit die Möglichkeit, »die Regierung zu fordern«, sagte Baumann. Fraktionschefin Alice Weidel schloss in dem Zusammenhang aus, dass sie den Vorsitz übernehmen könnte. Sie kündigte an, dass sich ihr Parteikollege Peter Boehringer um das Amt bewerben werde.

Zugleich hält die AfD an der Kandidatur ihres Abgeordneten Albrecht Glaser für den Posten des Bundestagsvizepräsidenten fest. »Wir halten an dem Kandidaten fest, das ist völlig klar«, sagte Fraktionschef Alexander Gauland. Was Glaser gesagt habe und denke, »denken wir alle«. Die Fraktion stehe geschlossen hinter dem Kandidaten und dessen Meinungen.

Die AfD hat sich nach Angaben Baumanns an den Ältestenrat gewandt, um die Personalie Glaser wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Dies werde womöglich in der zweiten Sitzungswoche des Bundestags Ende Januar/Anfang Februar geschehen.

Glaser war bei der Wahl im Oktober an der erforderlichen Mehrheit gescheitert. Er hatte die Geltung der Religionsfreiheit für Muslime in Frage gestellt, die übrigen Fraktionen werfen ihm deshalb eine islamfeindliche Haltung vor. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) forderte die AfD inzwischen auf, einen konsensfähigen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten des Parlaments aufzustellen.

Staatsanwalt Reusch soll Vertreter im Kontrollgremium werden

AfD-Kandidat für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr), in dem die Partei laut Baumann voraussichtlich einen Platz haben wird, ist der Staatsanwalt Roman Reusch. Dieser führte aus, er rechne durchaus mit Gegenwind für seine Kandidatur. Er habe dem Staat zwar 35 Jahre gedient, würde sich aber auch nicht wundern, wenn die anderen Parteien versuchen würden, die AfD aus dem Kontrollgremium herauszuhalten.

Roman Reusch aus Brandenburg war zuletzt Leitender Oberstaatsanwalt. In seiner früheren Position als Leiter der Intensivtäterabteilung in Berlin hatte er mit der Forderung nach härteren Strafen für kriminelle Jugendliche aus Einwandererfamilien für Aufsehen gesorgt. Als AfD-Politiker plädierte er dafür, im Ausland Gefängnisse einzurichten, in denen in Deutschland straffällige Ausländer ihre Strafe verbüßen könnten.

Der Bundestag will die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums an diesem Donnerstag wählen. Dazu legen die Fraktionen Vorschläge vor. Politiker anderer Fraktionen hatten Bedenken gegen einzelne AfD-Politiker geäußert, vor allem wegen möglicher Kontakte zu rechten Gruppierungen wie der »Identitären Bewegung«. Die Mitglieder des Kontrollgremiums sind zur Geheimhaltung verpflichtet.

Darüber, wen sie in die anderen Ausschüsse entsenden wird, will die AfD-Bundestagsfraktion nach den Worten ihres Vorsitzenden Gauland kommende Woche entscheiden. Agenturen/nd

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