Arbeitsunfall - ja oder nein?

Urteile im Überblick

  • Lesedauer: 3 Min.

Fall 1: Sturz beim Bowlingturnier auf der Dienstreise

Ein Sturz bei einem Bowlingturnier während einer Dienstreise kann ein Arbeitsunfall sein, urteilte das Sozialgericht Aachen (Az. S 6 U 135/16) und gab damit einem Versicherten Recht, der bei einem betrieblichen Bowlingturnier ausgerutscht war und sich die Schulter ausgerenkt hatte.

Das Turnier war Teil einer mehrtägigen Fortbildung, an der der Mann bei einem Partnerunternehmen seines Arbeitgebers teilgenommen hatte. Die Berufsgenossenschaft hatte den Sturz nicht als Arbeitsunfall anerkannt und argumentiert, der Kläger habe sich beim Bowling privaten Belangen gewidmet.

Dagegen verwies das Sozialgericht Aachen darauf, dass die Teilnahme an der Fortbildung vom Arbeitgeber des Mannes vorgeschrieben und das Bowlingturnier ein fester Programmpunkt gewesen sei. Zweck sei der Austausch mit Mitarbeitern des Partnerunternehmens gewesen, wovon beide Unternehmer zu profitieren hofften, erklärten die Richter weiter. Deshalb habe der Mann bei dem Bowlingturnier eine Nebenpflicht aus seinem Arbeitsverhältnis erfüllt. Das überwiege gegenüber der Tatsache, dass das Bowling auch der sportlichen Betätigung des Klägers gedient habe, erklärte das Gericht.

Fall 2: Prügelei mit Kollegen

Wer Opfer einer Prügelei mit einem Arbeitskollegen wird, kann das als Arbeitsunfall geltend machen, entschied das baden-württembergische Landessozialgericht in Stuttgart (Az. L 1 U 1277/17) und verwies darauf, dass der Fahrer eines Firmentransporters die Unfallversicherung belangen darf, nachdem ihn ein Mitfahrer zu Boden geschlagen hatte. In einem weiteren Urteil des baden-württembergischen Landessozialgerichts (Az. L 1 U 1504/17) machte das Gericht aber deutlich, dass der Versicherungsschutz nicht greift, wenn ein Angreifer sich bei der Attacke auf einen Kollegen selbst verletzt.

Im ersten Fall war es zu einem Streit im Auto gekommen, ob man wegen der schlechten Luft im Wagen das Fenster öffnen oder Zugluft besser vermeiden sollte. Ein Mitfahrer öffnete schließlich die Beifahrertür, worauf der Fahrer ausstieg und sie wieder schloss. Daraufhin schlug der Frischluftbedürftige den Fahrer mit der Faust ins Gesicht und trat dem zu Boden Gegangenen mit dem Stahlkappenschuh gegen den Kopf. Das Opfer trug eine Schädelprellung davon. Die Berufsgenossenschaft vertrat die Ansicht, dass es sich hier um keinen betrieblichen, sondern um einen persönlichen Streit gehandelt habe. Das Sozialgericht in Ulm gab der Genossenschaft Recht, das Landessozialgericht kassierte dieses Urteil. Da sich das Ganze auf dem Heimweg von der Arbeit abgespielt habe, liege der Streit »in der versicherten Tätigkeit des Klägers als Fahrer«, so die Richter.

Anders beurteilte das Landessozialgericht den Streit in einer mittelständischen Firma, bei dem es ebenfalls zur Körperverletzung kam. Ein Mitarbeiter war wegen unterschiedlicher Ansichten zu Arbeitsabläufen so wütend auf seinen Kollegen, dass er auf ihn zu rannte und ihm den gesenkten Kopf in den Rumpf rammte. Während der Attackierte mit einer Rippenprellung davonkam, zog sich der Angreifer einen Halswirbelbruch zu.

Das Sozialgericht Karlsruhe hatte in diesem Fall einen betrieblichen Zusammenhang zwischen der Auseinandersetzung und der Verletzung gesehen.

Das Landessozialgericht kassierte auch dieses Urteil und verwies darauf, dass der eigentliche Streit 30 Minuten zuvor stattgefunden habe. Im Angriff könne deshalb kein Beitrag mehr zur »Klärung« des Konflikts gesehen werden. Außerdem könne nach Attacken dieser Art das Opfer arbeitsunfähig sowie eine künftige Zusammenarbeit in der Firma unmöglich werden. Beides liege »in keinster Weise im betrieblichen Interesse«, urteilten die Richter. epd/nd

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