Damit Schweine ihren Ringelschwanz behalten können

Die rot-rote Koalition bringt im Landtag einen Antrag zur Fortschreibung des Tierschutzplans ein

Der Tierschutz im Land Brandenburg lässt zu wünschen übrig und bedarf politischer Anstrengungen. So begründet die Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg (LINKE) am Dienstag den von der rot-roten Koalition eingebrachte Antrag »Den brandenburgischen Tierschutzplan umsetzen und fortschreiben«.

Schwarzenberg verweist auf den im Dezember veröffentlichten Tierschutzplan, der unter Mitarbeit verschiedener Interessens- und Lobbygruppen erarbeitet worden ist. »Er enthält 131 konkrete Maßnahmenvorschläge für die Nutztiergruppen Schweine, Rinder, Puten, Legehennen, Masthähnchen und Pferde.« Mit ihren Antrag wollen die Koalitionsfraktionen erreichen, dass entschlossen an die Umsetzung gegangen werde. Künftig wichtig seien die Beratung der Landwirte und der Aufbau von Demonstrationsbetrieben, in denen ein vorbildlicher Umgang mit Tieren zu Lernzwecken für interessierte Landwirte vorgeführt werden soll. Auch der Handel habe ein Interesse an Lebensmitteln, die ohne Beanstandung und Tierquälerei produziert worden sind und könnte sich finanziell an dahingehenden Maßnahmen beteiligen, schlägt die Abgeordnete Schwarzenberg vor.

Nach Angaben der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau (FÖL) hat der Lebensmittelhandel allerdings kein Interesse an einem speziellen Tierschutzlabel. Bei 80 Prozent des Fleischs komme es leider allein auf den Preis an, bedauert die FÖL. 60 Prozent des verarbeiteten Fleischs verlasse die Schlachthöfe als Sonderangebot, das dann bei Werbeaktionen angepriesen wird. Für Biofleisch sei ein Tierschutzsiegel nicht erforderlich, weil sich die bessere Haltung der Tiere in diesem Segment für die Kunden von selbst versteht.

Das Bündnis Agrarwende hatte vor der Landtagswahl 2014 eine Volksinitiative gegen Massentierhaltung angeschoben. Eigentlich sollte es bei der Initiative bleiben. Die nächste Stufe, ein Volksbegehren sei ursprünglich nicht beabsichtigt gewesen, plaudert FÖL-Geschäftsführer Michael Wimmer am Dienstag in kleiner Runde aus dem Nähkästchen.

Zur Vorsicht gemahnte das Schicksal früherer Volksbegehren. Der Naturschutzbund und der Bund für Umwelt und Naturschutz hatten 2008/09 schlimme Erfahrungen sammeln müssen. Für das damalige Volksbegehren gegen neue Braunkohletagebaue kamen bloß 24 501 gültige Unterschriften zusammen. Das waren weniger Unterschriften, als die beteiligten Organisationen in Brandenburg Mitglieder hatten.

Nur weil die SPD dem Bündnis Agrarwende fast nicht entgegen gekommen sei - lediglich einen ehrenamtlichen Tierschutzbeauftragten habe man zugestehen wollen - sei ein Volksbegehren eingeleitet worden. Völlig unerwartet war dies dann mit 103 545 gültigen Unterschriften sehr erfolgreich. Es waren 23 545 Stimmen über den Durst zusammengekommen. Siegestrunken wollten einige Mitstreiter dann einen Volksentscheid, um die Maximalforderungen durchzusetzen. Doch angesichts der Bedingungen - 25 Prozent aller Wahlberechtigten hätten gegen die Massentierhaltung stimmen müssen - wäre der Volksentscheid in die Hose gegangen, ist Wimmer überzeugt. Deshalb nutzte das Bündnis Agrarwende nach interner Diskussion die günstige Gelegenheit, einen Kompromiss auszuhandeln. Mit dem Ergebnis zeigt sich Wimmer zufrieden. Es ist nach seiner Ansicht mehr herausgekommen, als er zu träumen gewagt hätte.

Bei der Arbeit am Tierschutzplan zeigte sich, dass es keine Lösung sei, einfach das in der Schweinehaltung übliche Abschneiden der Ringelschwänze zu verbieten, räumt Wimmer ein. Denn die Ställe seien so eingerichtet, dass sich die Tiere unter Stress anknabbern. Um dies auszuschließen, müssten die Ställe umgebaut werden. Dies könne nicht von heute auf morgen gelingen. Darum betrachtet es Wimmer bereits als riesigen Erfolg, dass ein Vertreter des Bauernverbandes anerkannte, das Abschneiden der Schwänze sei ein historischer Irrweg, der perspektivisch verlassen werden sollte.

In Brandenburg prallten die Interessen der Tierschützer und die der Bauern aufeinander. Insofern sei ein wichtiger Erfolg, dass Gruppen, die schon nicht mehr miteinander redeten, bei der Erarbeitung des Tierschutzplans zusammenarbeiteten, stellt Linksfraktionschef Ralf Christoffers fest.

Dem Tierwohl auf die Sprünge zu helfen, sei an sich »eine gute Idee«, sagt der Abgeordnete Benjamin Raschke (Grüne). Doch stecke der Teufel im Detail. Maßstab für Raschke sind die Forderungen der Volksinitiative. Immerhin könne davon gesprochen werden, dass sich Brandenburg in kleinen Schritten auf »ein bisschen mehr Tierwohl« und damit auf eine ökologisch orientierte Landwirtschaft zubewege, gesteht Raschke zu. Allerdings sei wahrnehmbar, dass der Vorsprung des Bundeslandes beim Ökolandbau seit Jahren schmelze beziehungsweise im Vergleich zum Saarland und zu Hessen gar nicht mehr vorhanden sei.

Die Grünen legen vor diesem Hintergrund eine parlamentarische Initiative für einen »Ökoaktionsplan« vor, mit dessen Hilfe sie die ökologisch bewirtschaftete Anbaufläche um 25 Prozent erweitern wollen. »Der Biomarkt brummt«, heißt es zur Begründung.

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