»Druck aus der Opposition heraus«

Hessens LINKE will am 28. Oktober zum vierten Mal in Folge in den Landtag einziehen

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut neun Monate vor der Landtagswahl am 28. Oktober gibt sich die hessische LINKE zuversichtlich. Sie will zum vierten Mal in Folge und deutlich gestärkt in den Wiesbadener Landtag einziehen.

Vor fast genau zehn Jahren, Ende Januar 2008, war die damals frisch aus der Taufe gehobene Partei nach einem holprigen Start erstmals mit 5,1 Prozent der Stimmen knapp in das Landesparlament eingezogen. Seither hat die hessische LINKE als einziger Landesverband der Partei in einem großen westlichen Flächenland ihre parlamentarische Präsenz durchgehend verteidigt. Nach den zurückliegenden Zitterpartien, die ihr im Endeffekt Ergebnisse zwischen 5,1 und 5,4 Prozent bescherten, soll es diesmal nun ein großer Sprung nach vorn werden. Ein Maßstab hierbei ist das Ergebnis von 8,1 Prozent bei der Bundestagswahl vor vier Monaten.

Auftrieb gibt der Partei auch die Tatsache, dass sie landesweit erstmals die Marke von 3000 Mitgliedern geknackt hat und aus der jüngeren Generation besonders starken Zulauf erhielt. In einzelnen Stadtvierteln von Frankfurt am Main, Wiesbaden oder Kassel verbuchte Hessens LINKE bei den Bundestags- und Kommunalwahlen zweistellige Wahlergebnisse nahe der 20 Prozent, während der Zuspruch in ländlichen Regionen deutlich geringer blieb.

Im Kampf um den Wiedereinzug in den Wiesbadener Landtag wollen die Parteistrategen nichts dem Zufall überlassen. Seit Dezember kursiert der detaillierte 73-seitige Entwurf eines Wahlprogramms, das ein Landesparteitag im März beraten und verabschieden soll. Das Papier enthält detaillierte Vorschläge zu wichtigen Themen - von der Armutsbekämpfung über gebührenfreie Kitas und öffentlichen Wohnungsbau bis hin zu einer Fahrpreissenkung bei öffentlichen Bussen und Bahnen mit dem Ziel Nulltarif. Der Entwurf soll bis zum Parteitag im Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen und Bündnispartnern in sozialen Bewegungen diskutiert und ergänzt werden. Internetnutzer können ihn auch auf der Website des Landesverbands studieren und direkt kommentieren.

Die Erfahrung der letzten zehn Jahre zeige, »dass Druck von links auch aus der Opposition heraus Wirkung entfalten kann«, heißt es im Programmentwurf. So habe die Linksfraktion etwa zur Abschaffung der von der CDU-Alleinregierung 2006 beschlossenen Studiengebühren beigetragen. Gemeinsam mit DGB, Mieterbund und MieterInneninitiativen sei eine Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaft Nassauische Heimstätte/Wohnstadt verhindert worden. Auch die Aufklärung der NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter habe man angestoßen.

Die Partei hält sich zugute, dass sie durch unermüdlichen Druck die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erreicht habe, der die Rolle hessischer Sicherheitsbehörden und Politiker im Zusammenhang mit der Neonaziterrorbande NSU untersucht hat. Nach jahrelanger Arbeit soll das Landtagsplenum noch vor der Sommerpause und dem Wahlkampfstart den von der Koalitionsmehrheit getragenen Abschlussbericht beschließen. Die Regierungsparteien CDU und Grüne hatten sich 2014 beim Landtagsbeschluss über die Einsetzung des Ausschusses enthalten.

Aus den in der Ausschussarbeit gewonnenen und teilweise schockierenden Erkenntnissen zieht der Programmentwurf einige Konsequenzen. Dazu gehört die Forderung nach Abschaffung des Landesamts für Verfassungsschutz und dessen Ersetzung durch eine neu einzurichtende »Stelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie« - ohne nachrichtendienstliche Befugnisse.

Nach der Verabschiedung des Programms im März soll im Frühjahr eine Vertreterversammlung die Landesliste der Partei für die anstehende Wahl aufstellen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass die Partei mit einer Doppelspitze aus der Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler und dem Landesvorsitzenden Jan Schalauske in den Wahlkampf ziehen wird - beide verkörpern eine jüngere Generation.

Wissler (36) ist Vizechefin der Bundespartei und sitzt seit 2008 im Wiesbadener Parlament. Schalauske (37) war erst im vergangenen Frühjahr für den ausscheidenden Ex-Fraktionschef Willi van Ooyen nachgerückt und hatte 2015 als OB-Kandidat in der Universitätsstadt Marburg im ersten Wahlgang mit 9,8 Prozent Platz drei errungen - vor der Kandidatin der Grünen. Einen detaillierten Personalvorschlag des Landesvorstandes für die weiteren begehrten vorderen Listenplätze soll es dem Vernehmen nach nicht geben.

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