Brücken können Tram-Ausbau bremsen

In Mahlsdorf soll ein zweites Gleis kommen, in Mitte und Kreuzberg werden neue Strecken konkreter

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Es geht voran beim Ausbau der Straßenbahn. Nach jahrelangem Stillstand haben sich der Bezirk Marzahn-Hellersdorf, Verkehrsverwaltung, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sowie Vertreter von Bürgervereinen, Abgeordnetenhaus und Bezirksparlament zusammengesetzt, um endlich eine Lösung für den zweigleisigen Ausbau der Strecke der Linie 62 zum Mahlsdorfer Bahnhof zu finden. Geplant ist auch eine Verlegung der Endhaltestelle unter die Eisenbahnbrücke. Seit 2011 gab es keine konstruktiven Gespräche mehr, um einen verlässlichen Zehn-Minuten-Takt auf der immer stärker nachgefragten Strecke zu ermöglichen. Ein »Runder Tisch Mahlsdorf« soll nun eine Lösung finden. Damit scheint es wieder möglich, diesen Ausbau gemäß rot-rot-grünem Koalitionsvertrag bis 2021 zu realisieren. Der Streit drehte sich vor allem darum, wo eine Umgehungsstraße für das Nadelöhr entstehen soll - und auch, wer sie bezahlt.

Auch die Grundlagen für die Verlängerung der Linie M10 von der Warschauer Straße in Friedrichshain durch Kreuzberg und Neukölln zum Hermannplatz sollen ermittelt werden. Die Senatsverkehrsverwaltung hat eine entsprechende Ausschreibung veröffentlicht, mit der Planungsbüros gesucht werden. In einem ersten Schritt sollen alle prinzipiell möglichen Trassenführungen untersucht werden, um mit standardisierten Verfahren die sinnvollste Strecke herauszufinden.

Beim Blick auf den Stadtplan drängt sich nach Querung der Oberbaumbrücke die geradlinige Führung durch die Falckensteinstraße auf. Anschließend ginge es durch den Görlitzer Park und weiter über Glogauer und Pannierstraße zur Sonnenallee und zum Hermannplatz. Tatsächlich ist die BVG vor vielen Jahren bereits zu dem Schluss gekommen, dass die knapp drei Kilometer lange Strecke so den größten Nutzen entfalten könnte. Knackpunkt in der Diskussion ist die Querung des Görlitzer Parks. Anwohner fürchten eine Zerschneidung der Grünfläche, sollte dort die Straßenbahn verkehren. Alle anderen Linienführungen aber hätten mehrere enge Kurven, wären länger und damit teurer - außerdem würde sich die Fahrzeit verlängern.

»Ich gehe von weniger Widerstand als noch vor ein paar Jahren aus«, sagt Jens Wieseke, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands IGEB. Schließlich werde so auch mehr soziale Kontrolle im Park erreicht. Außerdem werde der vergleichsweise schlecht erschlossene Wrangelkiez attraktiv angebunden.

Wegfallende Parkplätze könnten sich auch noch als Aufregerthema erweisen, wie sich gerade bei der geplanten Straßenbahnverschwenkung zum Ostkreuz zeigt. Knackpunkte aus technischer Sicht sind die Gewässerquerungen. Bei der Oberbaumbrücke müsste man prüfen, ob sie noch immer eine Straßenbahn tragen könnte. Die Anfang der 90er Jahre dort verlegten Gleise seien nicht regelkonform und nutzten nichts, heißt es aus der Verkehrsverwaltung. Auch die Tragfähigkeit der Brücken über den Landwehrkanal ist noch unklar. Bis Frühjahr 2019 soll das noch zu findende Planungsbüro die Voruntersuchungen abgeschlossen haben, Anwohner sollen auf einer Veranstaltung informiert werden.

Auch bei der Verlängerung der Tram vom Alexanderplatz über die Leipziger Straße zum Potsdamer Platz geht es zumindest planerisch voran. Hier sucht die BVG ein Büro, das die Planfeststellungsunterlagen erarbeitet und das Projekt bis zur Baureife bringt. Bereits bei den Voruntersuchungen hatte sich herausgestellt, dass die Mühlendammbrücke für Straßenbahnen neu gebaut werden muss. »Die Strecke ist aber insgesamt eine interessante städtebauliche Herausforderung«, sagt Wieseke. Am Molkenmarkt gebe es nach wie vor sehr viel Klärungsbedarf über die künftige Gestaltung. »Außerdem ist an diesem ältesten Marktplatz der Stadt mit bedeutenden archäologischen Funden und den entsprechenden Verzögerungen zu rechnen«, so der Fahrgastlobbyist.

Im vergleichsweise schmalen Abschnitt der Leipziger Straße westlich der Charlottenstraße regt sich Widerstand der Autolobby. Erst diesen Mittwoch demonstrierte die FDP mit einem Laster gegen die Tram. »Natürlich führt der Ausbau der Straßenbahn, von Busspuren oder der Radinfrastruktur zu einer Neuverteilung des Raumes zwischen den Verkehrsträgern«, sagt Harald Wolf, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Im Moment ist die auch völlig ungerecht.« Etwa 80 Prozent des Straßenrums würden für Pkw genutzt, obwohl Fußgänger, Radler und Nutzer des Nahverkehrs 70 Prozent der Wege zurücklegten, gibt er zu bedenken. »Diese Umverteilung wird aber nicht im Rahmen einer Frontalkonfrontation mit den Autofahrern, sondern mit schrittweisem maßvollem Umbau der Verkehrsinfrastruktur kommen«, so Wolf.

Der Politiker ist zuversichtlich, dass die Berliner die Vorteile der Verkehrswende erkennen. »Wenn dann auch die ersten neuen Strecken und insbesondere die längeren Strecken in den Westteil in Betrieb gehen, dann wird auch der Bedarf an anderer Stelle deutlicher artikuliert werden«, glaubt er. Tatsächlich waren in Moabit bei Veranstaltungen zu den geplanten Tram-Verlängerungen vom Hauptbahnhof zur Turmstraße und darüber hinaus die meisten Anwohner sehr angetan. Dieses Gefühl stützt auch eine aktuelle Umfrage von infratest dimap im Auftrag des SWR. Demnach fordern 42 Prozent der Bundesbürger einen Ausbau des Nahverkehrs, um Verkehrsprobleme zu lösen. Mehr Straßen fordern nur 22 Prozent.

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