Dr. M. gegen die BRD

Hans Modrow will Auskunft über jahrzehntelange Beobachtung durch den BND

  • Lesedauer: 2 Min.

»Dr. M. gegen die Bundesrepublik Deutschland« heißt es am 28. Februar vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dann wird über einen Fall verhandelt, der unter dem eher lapidaren Stichwort »Recht der Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendienste« steht. Die Sache hat aber eine gewisse Bedeutung. Und das liegt nicht nur daran, dass sich hinter »Dr. M.« der frühere SED-Politiker und DDR-Ministerpräsident Hans Modrow verbirgt.

Modrow ist seit 1958 vom BND und seit 1965 vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet worden. Seit 2013 ist das bekannt, und seither versucht Modrow, in Erfahrung zu bringen, was in den Akten steht und wie es dort hereingekommen ist. Die Frage, warum westdeutsche Nachrichtendienste Ostdeutsche über Jahrzehnte bespitzelt haben, steht im Zentrum eines aktuellen Buches, das die Ausforschung Modrows ebenso nachzeichnet wie seine Bemühungen um Aufklärung.

Diese offenbaren nicht zuletzt, wie Geheimdienste sich dagegen wehren, ihre Karten aufzudecken. Otto Jäckel, der Modrow vertritt, spricht in Robert Allertz’ Buch von einer »dynamischen Entwicklung der Auskunftsbereitschaft« - gemeint ist: Gab es erst nur überschlägige Auskünfte und Kopien von weitgehend geschwärzten Akten, wurde dann immer wieder etwas Neues in den Archiven gefunden und folgten später »wiederholt weitere Auskünfte und Aktenbestandteile«.

Ein erklärungsbedürftiger Vorgang mit vielen verdunkelten Stellen blieb die Sache dennoch. Etwa, warum der Auslandsgeheimdienst West schon den noch eher unbedeutenden FDJ-Funktionär auf dem Radar hatte, angeblich aber nichts zu den engen späteren Kontakten Modrows nach Japan. Von Transparenz oder Aktenöffnung kann ohnehin nicht die Rede sein. Und die Geheimdienste verweisen stets darauf, dass sie ihre Quellen schützen müssten.

Für Jäckel hat sich die Mühe des Verfahrens dennoch schon jetzt gelohnt: »Es musste eingeräumt werden, dass Modrow seit den frühen 50er Jahren über das Ende der DDR hinaus durchgehend von in seinem Umfeld platzierten V-Leuten des BND ausspioniert worden ist.« Jäckel zieht daraus unter anderem einen über den Fall Modrow hinausgehenden Schluss. Er hält »die bisherigen Formen der Kontrolle der Geheimdienste für eine gesellschaftliche Fehlentwicklung, die dringend der Korrektur bedarf.« tos

Robert Allertz: »Ich will meine Akte«. Wie westdeutsche Geheimdienste Ostdeutsche bespitzeln, 224 Seiten, Das Neue Berlin, 14,99 Euro.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.