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Posten für die Gefolgschaft

Thüringen: Wie Partei- und Fraktionschef Mohring die CDU auf Landtagswahlkurs bringt

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 5 Min.

Es war vor einigen Wochen, da träumte Mike Mohring sogar von der absoluten CDU-Mehrheit im Erfurter Landtag. Ein paar Minuten lang jedenfalls, die dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Thüringer CDU sicher wie Momente im Himmel vorgekommen sind. Kein Gezänk mit ewig eifersüchtigen und starrköpfigen Koalitionspartnern. Keine endlosen Sitzungen der Koalitionsausschüsse, bei denen am Ende nur Formelkompromisse herauskommen, die alle Beteiligten unzufrieden lassen. Einfach nur Durchregieren, die eigene Parteiprogrammatik umsetzen.

Mohring durfte von einer solchen Konstellation träumen, als er gemeinsam mit Thüringens Altministerpräsident Bernhard Vogel der Wochenzeitung »Die Zeit« ein nettes, freundliches und nicht allzu kritisches Plauder-Interview gab. Moderiert von einem Journalisten, den Mohring schätzt, sagte der alte CDU-Mann dem jungen Politiker schließlich: Absolute Mehrheiten seien zwar auch keine einfache Sache, aber: »Ich wünsche sie dir trotzdem eines Tages.« Es war der letzte Satz des Interviews.

Dass etwa zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl in Thüringen ein solches Interview mit Mohring auftaucht, sagt viel aus über den Zustand der CDU, die in Thüringen ein Vierteljahrhundert lang regierte und nun seit Ende 2014 das erste Mal überhaupt merkt, wie hart die Oppositionsbänke in einem Parlament sind; wie sehr es das Schicksal von Oppositionsprojekten ist, dass sie keine politischen Mehrheiten in den entscheidenden Gremien finden - »weil das nun mal das Schicksal von Oppositionsanträgen ist«, wie Mohring es in der vergangenen Legislaturperiode einmal formulierte.

Das war damals, als die CDU noch selbst die Regierung führte. Damals, als es bei der Union unvorstellbar war, dass ausgerechnet in einem Bundesland, das in weiten Teilen politisch so schwarz ist wie eine mondlose Nacht inmitten des Thüringer Waldes, mit Bodo Ramelow erstmals in Deutschland ein LINKER Ministerpräsident werden könnte.

Doch inzwischen hat die CDU tatsächlich gute Chancen, bei der Landtagswahl 2019 nicht nur erneut stärkste Kraft zu werden, sondern dann auch wieder eine Regierungskoalition zu führen. Wobei freilich die Fehler von Rot-Rot-Grün - etwa bei der Gebietsreform - Mohring und der CDU geholfen haben. Bei der letzten Wählerumfrage durch das INSA-Institut Ende Oktober kamen die Thüringer CDU auf 31 Prozent, die LINKE auf 20, die SPD auf 13 und die Grünen auf vier Prozent. Die AfD erreichte 20 Prozent, die FDP sieben.

Jenseits der Erfolge gegenüber dem politischen Gegner hat Mohring es vor allem vermocht, das Gezänk innerhalb der Thüringer CDU zu beenden. Wo sich zwischen 2009 und 2014 Anhänger Mohrings und Gefolgsleute der damaligen CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht immer wieder mehr oder weniger öffentlich angingen, arbeiten sich die CDUler in Partei und Fraktion nun in der Öffentlichkeit an Rot-Rot-Grün ab.

Programmatisch gibt es ohnehin kaum Unterschiede zwischen den beiden CDU-Lagern. Wenn auch das Mohring-Lager wohl noch einen Tick wertkonservativer ist als das Lieberknecht-Lager. »Alle wissen, dass wir nur gemeinsam zurück an die Macht kommen«, heißt es in dieser oder einer ganz ähnlichen Formulierung immer wieder von ranghohen Parteimitgliedern, wenn man sie nach der Stimmung innerhalb der Partei fragt. Allen maßgeblichen Leuten in der Union sei klar, dass die Wahl 2019 noch lange nicht gelaufen sei - trotz guter Ausgangslage. Die Mechanismen, mit denen Mohring diese Geschlossenheit hergestellt hat, werden von verschiedenen Akteuren innerhalb der Thüringer CDU fast unisono so beschrieben: Erstens habe Mohring es geschafft, sich Loyalitäten und Zustimmung zu sichern, indem er CDU-Politikern oder ihren Angehörigen Posten und Jobs innerhalb von Partei und Fraktion gegeben habe. Zweitens gebe es nur wenige, die zu Mohrings wirklich engem Umfeld zählten, die dafür aber genau wüssten, was er von ihnen erwarte - auch ohne, dass er ihnen bestimmte Aufträge gebe. Drittens binde er auch diejenigen in die große politische Arbeit mit ein, die in der Vergangenheit zu seinen Widersachern gehörten. So etwa den Chef der Jungen Union in Thüringen, Stefan Gruhner, der inzwischen die Programmkommission der CDU für die Landtagswahl 2019 leitet. Und viertens, so heißt es von Insidern, habe er es durch die ersten drei Maßnahmen geschafft, dass in der Partei inzwischen so vieles auf ihn zulaufe, dass ziemlich klar sei, dass die Thüringer Union mit Mohring an der Spitze in die Landtagswahl ziehen werde.

Doch die alten Gräben in der Union sind zwar zugedeckt, aber nicht zugeschüttet. Man habe nur einen »professionellen Frieden« geschlossen, wie ein CDU-Mitglied das nennt. Da ist zum Beispiel die Sache mit den Leuten, die zu Mohrings engerem Umfeld gehören. In der Fraktion sind das etwa der Parlamentarische Geschäftsführer, Volker Emde, oder die stellvertretende Fraktionsvorsitzenden, Egon Primas und Michael Heym. Aus dem Mohring-Lager heißt es über sie und andere Vertraute des Chefs, sie hätten sich schon in der Vergangenheit durch Loyalität ausgezeichnet - gegenüber Thüringens Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus, den Lieberknecht 2009 im Handstreich entmachtet hatte. Ihre langjährige Erfahrung im politischen Geschäft, sagen sie im Mohring-Lager, mache Emde und Co. zu wichtigen Stützen des Chefs. Aus dem Lieberknecht-Lager dagegen werden dieselben Leute als schwache Figuren skizziert. »Von ihnen hat Mohring keinen Widerspruch zu erwarten«, sagt jemand.

Dass diese und andere Mohring-Freunde wiederum wissen, was sie zu tun haben, auch ohne, dass der Partei- und Fraktionschef sie im Einzelfall anweist, wird ganz unterschiedlich geschildert. Das sei völlig normal, ein so vielbeschäftigter Mann könne sich nicht um alles selbst kümmern, sagt jemand, der Mohring nahesteht. Schließlich habe man dafür ja Vertraute und Spitzenfunktionäre.

Von anderer Seite heißt es, dieses System habe in der Thüringer CDU zu einem Klima geführt, in dem manche aus dem Lieberknecht-Lager inzwischen einfach »keinen Bock mehr haben, sich ständig von denen runtermachen zu lassen«. Denn auch deshalb sitze Mohring so fest im Sattel: Weil er manche seiner innerparteilichen Gegner zermürbe, um seinem großen Ziel näher zu kommen: Thüringer Ministerpräsident zu werden. »Dafür würde er seine Großmutter verkaufen«, sagt jemand aus der Fraktion über ihn.

Mit Blick auf die Landtagswahl werden Mohrings innerparteiliche Gegner bis 2019 keinen ernsthaften Versuch unternehmen, ihn zu stürzen. Der Preis dafür, so glauben sie, wäre eine vermasselte Chance, zur Macht im Freistaat zurückzukehren. Ein Preis, der selbst verbissensten Mohring-Gegnern wie Landtagspräsident Christian Carius und dem Landtagsabgeordneten Mario Voigt zu hoch erscheint. Von beiden heißt es auf Fluren in Erfurt, sie »kochen vor Wut« über vieles, was Mohring tue oder lasse.

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