Eine bröckelnde Brücke und ein Angebot

Die Stadt Wismar und das Land Mecklenburg-Vorpommern streiten über den Verlauf eines neuen Überwegs für den Autoverkehr

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Jahre lang hatte sich der Verkehr in Mecklenburg-Vorpommerns Hafenstadt Wismar in west-östlicher Richtung und umgekehrt durch die Rostocker Straße quälen müssen, bis jenes Nadelöhr durch die Hochstraße am Mühlenteich ersetzt wurde. 15 Millionen Mark hatte der Neubau gekostet, am 7. August 1970 wurde er freigegeben. Seitdem stand in Wismar die mit 398 Metern längste Spannbetonbrücke der DDR.

Ausgelastet war die Brücke stets gut, 2011 beispielsweise wurden täglich rund 19 000 Fahrzeuge auf ihr gezählt. Doch mittlerweile sind es nur noch 10 000, denn Lkw mit mehr als zwölf Tonnen Gewicht dürfen sie seit September 2011 nicht mehr benutzen. Der Zahn der Zeit an dem Bauwerk genagt, so dass es für den Schwerlastverkehr gesperrt werden musste.

Doch die baulichen Mängel am nahezu 48 Jahre alten Überweg sind so gravierend, dass es nur eine Lösung gibt: den Abriss. Bis spätestens 2022 soll die Hochbrücke verschwinden und durch einen Neubau ersetzt werden. Die Planungen dazu laufen seit 2012, inzwischen sind zwölf Varianten erarbeitet worden, sogar ein Tunnel wurde angedacht. Sein Entwurf ist jedoch wieder in der Schublade verschwunden, denn eine solche Unterführung wäre viel zu teuer. Darin sind sich die beteiligten Stellen einig.

Wenig Sympathie hat auch der Gedanke gefunden, erst die alte Brücke abzureißen und dann genau in ihrem Verlauf eine Nachfolgerin zu bauen. Viel zu lange wäre dann die entlastende Funktion des Überwegs nicht mehr gegeben, der Verkehr müsste sich etwa drei Jahre lang durch die Straßen zwängen - wie vor 1970.

Zwei Varianten stehen derzeit zur Debatte. Das Land Mecklenburg-Vorpommern möchte eine neue Brücke entlang des Mühlenteich-Ufers bauen. Rund 20 Millionen Euro würde sie kosten, und während ihres Entstehens könnte die alte Brücke weiter dem Verkehr zur Verfügung stehen. Diese Variante aber schmeckt der Wismarer Bürgerschaft überhaupt nicht. Das Argument: Der vom Land angedachte Streckenverlauf würde - unter anderem wegen einer zusätzlichen Kreuzung - schwere Verkehrsprobleme mit sich bringen. Abzulehnen sei das Konzept auch wegen der Nähe solch einer Brückentrasse zu Wohnhäusern. Die dort lebenden Menschen würden durch die ständig vorüber eilenden Autos - dann auch wieder Schwerlastverkehr - unzumutbar belastet, meinen die Bürgervertreter. Sie haben sich jetzt per Beschluss gegen die Planung des Landes ausgesprochen.

Wismars Bürgerschaft favorisiert eine Brücke, die ein Stück des Mühlenteichs überquert, ähnlich wie die alte Hochstraße.

Diese Lösung wiederum findet kein Wohlgefallen beim Land, ist sie doch rund 2,5 Millionen Euro teurer als das Modell aus dem Schweriner Infrastrukturministerium, das die Brücke - sie ist ein Stück Landesstraße - letztlich bezahlen muss.

Mittlerweile hat das Land der Stadt einen Deal unterbreitet: Die Brücke wird ganz nach den Wünschen der Stadt Wismar gebaut, die sich als Gegenleistung für dieses Einlenken bereit erklärt, die Unterhaltungskosten für das neue Bauwerk zu übernehmen. Wismars Bürgermeister Thomas Beyer (SPD), so berichtet der NDR, habe diesen Vorschlag als »unmoralisches Angebot« abgelehnt.

Mit dem Brückenbau wird voraussichtlich nicht vor 2020 begonnen, heißt es aus der Hansestadt. Bleibt abzuwarten, ob das Land der Stadt entgegen kommt und den Beschluss der Bürgerschaft respektiert - oder aber seine Ufer-Version durchsetzt nach dem Motto: Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird.

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