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Ollis Olympia

Oliver Kern hat Mitleid mit einigen seiner Kollegen

Ich habe noch mal nachgeschaut, und mit meinem gestrigen Besuch der alpinen Abfahrtsstrecke hab ich es geschafft. Ich war jetzt an jedem Wettkampfort dieser Winterspiele. Bingo!

Danach bin ich zum Langlauf gefahren und sah dort einige Gesichter, die ich schon in den Tagen zuvor dort gesehen hatte. Redakteure, die für Fernseh- und Radiosender arbeiten, für Nachrichtenagenturen oder Mediengruppen, die sich zusammengeschlossen haben, nun mehrere Journalisten vor Ort haben, die sich dann auf die einzelnen Arenen verteilt haben. 19 Tage beim Langlauf, Skispringen und der Nordischen Kombination. Ist das noch Olympia oder nur eine WM?

Mir tun die Kollegen ein bisschen leid, denn sie haben sich das nicht immer so ausgesucht. Sie wären sicherlich auch lieber dabei gewesen, als die deutschen Eishockeyspieler so sensationell ins Halbfinale einzogen, anstatt über die nächste Pleite der heimischen Langläuferinnen zu schreiben. Aber zu viel Mitleid muss natürlich auch nicht sein. Sie sehen schließlich jeden Tag olympische Wettbewerbe und ein paar Medaillen durften sie ja auch schon bejubeln. Dabei wird mir übrigens bei einigen Fernsehmoderatoren vom Schlage eines René Kindermann viel zu sehr gejubelt. Umarmungen und Selfies mit Athleten lassen sich nicht wirklich vereinbaren mit distanzierter Berichterstattung.

Den größten Pechvogel traf ich aber vor einigen Tagen in einem Restaurant nahe des Internationalen Fernsehzentrums. Matt ist ein US-Amerikaner, der seit einem Jahr für den Olympic Channel des IOC arbeitet und Beiträge schneidet. Es sind seine ersten Spiele, sagte er mir, doch einen Wettkampf hatte er noch nicht live gesehen. Er würde auch keinen mehr besuchen, denn er fährt täglich nur vom Hotelzimmer direkt in den Schneideraum, mittags mal ins Restaurant, dann zurück in sein Kabuff und abends wieder ins Hotel. So hatte er sich die Spiele bestimmt nicht vorgestellt. Vielleicht werde ich von der Pressetribüne doch mal einen US-Athleten anfeuern. Zur Hölle mit der journalistischen Distanz. Ich tue es für Matt.

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