Ausliefern trotz bitterer Kälte

300 bis 400 Fahrradkuriere sind täglich in der Stadt unterwegs, die eisigen Temperaturen halten sie nicht auf

  • Jasper Riemann
  • Lesedauer: 3 Min.

Wegen der bitteren Kälte weichen viele Radfahrer auf Bus und Bahn aus - eine Option, die Fahrradkuriere nicht haben. Anselm Holthaus ist einer von ihnen. Der 34-Jährige radelt trotz der niedrigen Temperaturen jeden Tag rund zehn Stunden durch Berlin, um für die Genossenschaft Cosmo Kurier Sendungen abzuholen und anschließend an einem anderen Ort auszuliefern - ein »Taxi für Dinge«, so nennt es der professionelle Radfahrer. Seit mehr als zehn Jahren macht er den Job.

»Ich merke die Kälte vor allem in der Lunge«, berichtet Holthaus. Die kalte Luft erschwere das Atmen. Er habe Angst, krank zu werden. Damit das nicht passiert, schützt sich der Radler mit jeder Menge Kleidung: Über seinen Wollsocken trägt er drei Lagen Beinlinge und Winterfahrradschuhe, darüber eine lange und eine kurze Hose, zwei Stoffteile um die Hüfte zum Lückenschließen, ein Funktionsunterhemd, ein langärmliges Oberteil, Armlinge, eine winddichte Jacke, Handschuhe - und natürlich über der Mütze einen Fahrradhelm. Das alles anzuziehen, dauert: »Mehr als zehn Minuten sind es bestimmt.« Zwar könne so den Temperaturen von bis zu minus 12 Grad getrotzt werden. Dennoch: Die Kälte ermatte ihn, diesen Winter werde er abends früher müde als sonst. Als Selbstständiger wäre es für ihn besonders ärgerlich, krank zu werden. Sein ansonsten fest eingeplanter Verdienst würde ohne Ersatz wegfallen.

Für das Unternehmen Cosmo Kurier sind 34 Fahrradkuriere auf den Berliner Straßen unterwegs. Wie viele es insgesamt gibt, kann keiner so genau sagen. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Ferdinand Lamkewitz, Vorstand bei Cosmo Kurier, schätzt, dass es zwischen 300 und 400 sind. Die meisten seien Fahrradkuriere aus Berufung: Die derzeitigen Temperaturen würden sie nicht aufhalten, sagt Lamkewitz. So gebe es in seiner Genossenschaft bislang auch keine vermehrten Krankmeldungen wegen der Kälte. »Anders sähe es aus, wenn es minus 20 Grad wären«, sagt Lamkewitz.

Klassische Fahrradkuriere wüssten, worauf sie sich einlassen, berichtet auch Andreas Schumann, Vorsitzender beim Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste. »Die fahren bei Wind und Wetter.« Er sei selbst überrascht von der Widerstandsfähigkeit der Fahrradkuriere. Das unterscheide sie etwa von den Fahrern von Lieferdiensten wie Deliveroo oder Foodora, die oftmals Studenten seien, sagt Schumann. Für alle Lieferanten gleichermaßen problematisch seien allerdings Regen und Schnee. »Im Zweifel ist die Temperatur nicht das Problem.«

In dieser Hinsicht ist das derzeitige Wetter für die Fahrradkuriere sogar positiv. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes war es in Berlin und Brandenburg im Februar zwar außerordentlich kalt, dafür aber überwiegend trocken und sonnig. Und am kommenden Wochenende soll es auch wieder etwas wärmer werden: Am Sonntag steigen die Temperaturen voraussichtlich auf bis zu sechs Grad. dpa

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