Clara-Zetkin-Preis gleich zweimal vergeben

Die Ärztin Kristina Hänel und die yezidischen Frauenräte teilen sich die Auszeichnung

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir sind die wahren Feministen«, reklamierte Mitte Februar der Theologe David Berger für sich und die anderen Teilnehmer einer Demonstration, die sich für die »Freiheit der Frau« einsetzten. Doch damals protestierten in Berlin keine linken Aktivistinnen, sondern überwiegend weiße Männer aus dem AfD/Pegida-Spektrum. Denn der von der AfD-Politikerin Leyla Bilge initiierte »Frauenmarsch« ist Teil einer Kampagne, mit der Rechte die mit der MeToo-Debatte wieder intensiver geführte Auseinandersetzung über Sexismus instrumentalisieren wollen.

Was von dem Engagement der AfD für »unsere Frauen« zu halten ist, zeigt ein Blick ins Grundsatzprogramm der Rechtspopulisten: »Die AfD wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären«, heißt es dort. Für die selbst ernannte Alternative beginnt der »Lebensschutz bereits beim Embryo«. Konsequenterweise ist die AfD, neben CDU und CSU, die einzige Bundestagspartei, die sich gegen eine Abschaffung des Strafgesetzparagrafen 219a ausspricht, der es Ärzten verbietet, »Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft« zu machen. Der Begriff Werbung wird dabei sehr weit ausgelegt. Sogenannte Lebensschützer nutzen dies aus, indem sie Ärzte anzeigen, die öffentlich über von ihnen durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche informieren.

Die Gießener Gynäkologin Kristina Hänel kam der Eifer der Fundamentalisten teuer zu stehen. Das Amtsgericht Gießen verdonnerte sie im November 2017 zur Zahlung einer Geldstrafe von 6000 Euro. Dabei hatte Hänel auf ihrer Website lediglich erklärt, wie legale Abtreibungen vor sich gehen und zudem erwähnt, diese gegen Kostenübernahme auch durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft wertete dies als unerlaubte Reklame für Schwangerschaftsabbrüche. Selbst der Staatsanwalt wertete die Angaben auf Hänels Webseite als »seriöse und sachliche« Informationen. Doch da sich dort auch Angaben zu ihrem Honorar fanden, sei dies unerlaubte Werbung gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Hänel wollte dies nicht auf sich sitzen lassen und startete eine Petition, die mehr als 160 000 Menschen unterzeichneten. Schließlich befasste sich auch der Bundestag mit der Sache.

Für ihr Engagement in eigener Sache, die auch die Sache anderer Frauen ist, erhielt Hänel am Freitag in Berlin den mit 1500 Euro dotierten Clara-Zetkin-Preis, mit dem die LINKE alljährlich »herausragende Leistungen von Frauen in Gesellschaft und Politik« würdigt. Insgesamt acht Vereine und Personen waren nominiert, darunter ein Containerprojekt für wohnungslose Frauen und das Queer Refugee Network. Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Möhring, erklärte gegenüber »nd«, warum Kristina Hänel den Zetkin-Preis erhält. Die Ärztin habe mit ihrem Widerstand und ihrer Petition erreicht, »dass eine Protestwelle gegen diesen veralteten Paragrafen und für die Selbstbestimmung von Frauen in Gang gesetzt wurde«. Sie erinnerte auch daran, dass nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik die Abtreibungsparagrafen 218 und 219 erhalten blieben und den Frauen im Osten damit ein wichtiges Recht genommen worden sei. »Sie durften bis dato selbstbestimmt entscheiden, ob sie eine ungewollte Schwangerschaft unterbrechen oder nicht«, so Moehring. Zudem warnte sie, dass der Kreis von Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, immer kleiner werde. »Das hat verschiedene strukturelle Ursachen. Eine davon: in der medizinischen Ausbildung wird das entsprechende Wissen schlicht nicht mehr vermittelt.«

Hänel selbst erklärte, sie freue sich über den Preis und die damit einhergehende Anerkennung für ihre Arbeit. »Es erfüllt mich mit Erstaunen, dass jetzt doch etwas passiert in dieser Gesellschaft«, so Hänel mit Blick auf die von ihr mit angestoßene Debatte.

Doch Hänel war nicht die einzige Preisträgerin des Abends. Die Ärztin teilt sich die Auszeichnung mit den kurdisch-yezidischen Frauenräten (TAJE) aus dem Schingal-Gebirge. Der Höhenzug ist Rückzugsgebiet der vorislamischen Religionsgemeinschaft der Yeziden und erlangte 2014 traurige Berühmtheit, als IS-Milizen dort tausendfach yezidische Frauen versklavten und vergewaltigten. Die Aktivistinnen von TAJE »helfen den Frauen nicht nur ihre Leiden zu verarbeiten, sondern auch in die Gesellschaft zu treten«, so die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping. Die Arbeit von TAJE sei nicht genug zu würdigen. »Yezidinnen waren die Opfer der brutalsten Gewalt, die Männer Frauen antun können, aber Yezidinnen können auch aufstehen und den Lauf der Geschichte umdrehen«, so Kipping.

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