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China hält das Wachstum stabil
Bruttoinlandsprodukt soll 2018 um 6,5 Prozent wachsen
Chinas Regierung hält die Wirtschaft des Landes weiter auf Kurs. »Wir befinden uns in einer Phase des Übergangs zu neuen Wachstumsträgern«, sagte Premier Li Keqiang am Montag in Peking bei Vorstellung der Wirtschaftspläne für das Jahr 2018. Li gab einen Zuwachs des Bruttoinlandprodukts von 6,5 Prozent vor. Der chinesische Premier hält jedes Jahr im März zum Auftakt des Nationalen Volkskongresses eine Grundsatzrede zur Arbeit der Regierung.
Das aktuelle Wachstumsziel signalisiert zunächst Stabilität: Es ist genauso hoch wie im Vorjahr. Chinas Planungsapparat übertrifft den Wert jedoch üblicherweise. Experten sind auch für 2018 optimistisch. »Wir erwarten, dass die Konjunktur gut durchhalten wird«, sagt Qu Hongbin, China-Chefökonom der Großbank HSBC in Shanghai. Er rechnet für 2018 mit einem Wachstum von rund 6,7 Prozent. In Anbetracht der Größe der chinesischen Volkswirtschaft ist das sehr viel. China ist damit weiter die Lokomotive der Weltkonjunktur.
Premier Li nannte den aktuellen Wachstumstreiber: »Wir bauen ein digitales China auf.« Er hob besonders die vielen Neugründungen von Technikfirmen vor - und die schnelle Innovation durch etablierte Firmen. Netzwirtschaft, neue Werkstoffe und Antriebsformen für Autos, die Energiewende, Biotechnologie, Robotik - alle diese Bereiche entwickeln sich demnach in China prächtig und sollen auch künftig eine üppige Förderung der Regierung erhalten.
Ökonomen bestätigen den Erfolg des Projekts. In China sind 2017 rund 1,3 Millionen Patentanmeldungen eingegangen - 18 Mal mehr als in Deutschland und doppelt so viele wie in den USA. Vor allem liegt China auch bei der Qualität der Innovationen vorn. So gab es zweimal mehr Patentanmeldungen zu neuronalen Netzen als in den USA. Dieser Zweig der Informatik gilt als entscheidend für die Entwicklung selbstlernender Maschinen. Auch Anwendungen boomen: Internetfirmen wie Tencent und Alibaba verdienen gutes Geld und schaffen Jobs. »Die neuen Wirtschaftszweige wie Elektronik und Informationstechnik überflügeln die traditionellen Branchen bei weitem«, so Qu.
2017 sind Firmen aus den Technikbranchen in China um acht Prozent gewachsen, rechnet HSBC vor. Das hat einen Rückgang von 0,4 Prozent in Branchen wie Stahl, Plastik, Werften oder Chemie locker ausgeglichen. 2018 soll die Verschiebung so weitergehen, gab Li vor. Die Basis der Wirtschaft sei heute viel stärker als sogar in der Phase des superschnellen Wachstums. Die Konjunktur trägt sich offenbar selbst: Das Staatsdefizit soll 2018 mit 2,6 Prozent besonders niedrig ausfallen.
Lis Rede zeigte jedoch auch das Paradoxon der chinesischen Entwicklung: Der Premier pries die effiziente Digitalwirtschaft vor einem Hintergrund, der sich seit 1954 nur minimal geändert hat. Die roten Fahnen, die Marschmusik, die Sitzordnung, der Gesichtsausdruck der Delegierten - all das sind versteinerte Rituale. Lis Rede folgt mit ihren sozialistischen Floskeln einem vorgegebenen Drehbuch. Und doch spricht aus den Plänen ein klares Bekenntnis zu Modernisierung und Fortschritt. Li erwähnte aber auch, dass die neue Technik zur Erziehung der Bürger durch ein Sozialpunktesystem dienen soll.
Nur eine Sorge war Li anzumerken: Einen Handelskrieg kann China nicht gebrauchen. »Wir werden unseren Teil tun, um den freien Warenverkehr zu schützen«, sagte er. Er warnte vor Protektionismus und kündigte eigene Handelsinitiativen an. Dieser Teil der Rede war in Richtung der USA gerichtet. Präsident Donald Trump erhöht derzeit die Zölle, um die eigene Industrie vor der Konkurrenz abzuschirmen.
Doch China hat notfalls auch die Ressourcen, um einen Handelskrieg zu überstehen. So hat es praktisch keine Auslandsschulden. Es könnte demnach einen Durchhänger der Nachfrage aus dem Ausland notfalls ausgleichen - wenn auch ungern, weil Peking noch mit den Folgen exzessiver Konjunkturförderung um das Jahr 2009 herum kämpft. »Chinas Wachstum sieht aber unterm Strich sehr gesund aus«, sagt Ökonomin Iris Pang vom Bankhaus ING in Hongkong. »Viele besorgniserregende Risiken wie Überkapazitäten haben sich nicht zu konkreten Problemen entwickelt.«
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