Die Verbraucher sind das Risiko

Institute von Bund und EU wollen mit Kooperation Schutz von Konsumenten verbessern

  • Anke Engelmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Europa ist näher als viele glauben: Zur Verbesserung des Verbraucherschutzes unterzeichneten gestern ein Bundes- und ein EU-Institut einen Kooperationsvertrag.
Wenn sich zwei zusammentun, könnte sich der Dritte freuen - in diesem Fall der Verbraucher. Die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission (GFS, englisch JRC) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) unterzeichneten gestern in Berlin einen Kooperationsvertrag. »Wir tragen zu Sicherheit und Transparenz bei«, betonte GFS-Generaldirektor Roland Schenkel. Die GFS als Dienststelle der Europäischen Kommission leistet nach eigenem Bekunden nachfrageorientierte wissenschaftlich-technische Unterstützung für die EU-Politik: Sie harmonisiert Messungen, koordiniert Kompetenzen - vom Nachweis gentechnisch veränderter Organismen in Nahrungs- und Futtermitteln über die Bekämpfung von Nuklearschmuggel bis hin zur Satellitenüberwachung, um zu kontrollieren, wie Land genutzt wird. »Wir vermeiden Krisen, bevor sie entstehen«, formuliert BfR-Präsident Andreas Hensel das Credo seines Institutes. Das BfR, ein Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, analysiert Risiken für die Verbraucher und gibt Handlungsoptionen, um Gefährdungen zu mindern. Mit ihrer Zusammenarbeit wollen die Institutionen den Verbraucherschutz auf EU-Ebene intensivieren, besonders im Hinblick auf gentechnisch veränderte Organismen, Lebensmittel, Konsumgüter, Chemikalien und Nanotechnologie, hieß es. Für Hensel bringt die Kooperation »ein Ende der Kakophonie«: Ergebnisse der Wissenschaft könnten nun aus erster Hand interpretiert werden. Ohnehin sei für den Verbraucher alles bestens unter Kontrolle, so das Fazit von BfR und GFS. Hensel machte zudem einen Unterschied zwischen gefühltem und tatsächlichem Risiko: So stelle nicht die Verunreinigung von Nahrung durch Pestizide oder andere Chemikalien die größte Gesundheitsgefährdung dar. Vielmehr erkrankten jährlich etwa eine Million Deutsche durch verdorbene Lebensmittel, Salmonellen, Bakterien oder Parasiten. Grund: Das Wissen um den sachgerechten Umgang mit Nahrungsmitteln sei verloren. Die größte Gefahr für den Verbraucher sei der Verbraucher selbst, so Hensel. Wie viele Menschen durch chemisch verpestete Nahrung erkrankt sind, konnte der BfR-Präsident jedoch nicht sagen. Seine Kollegin Elke Anklam, Direktorin der GFS, unterstützte Hensel. Das »wahre Problem« sei die »mikrobiologische Kontamination«, nicht BSE, Antibiotika oder Pestizide. Die GFS will ein vernünftiges Verhältnis zwischen der Sicherheit von Lebensmitteln und Konsumgütern einerseits und dem Ernährungs-, Verbraucherverhalten und Lebensstil andererseits, führte sie aus. Die EU-Gesetze müssten die Gesundheit des Verbrauchers schützen, die Einhaltung der Höchstmengen garantieren, kontrollieren, dass die Kennzeichnung der Wahrheit entspricht und Verfälschungen aufdecken und verhindern, so Elke Anklam. Heiße Luft? Die EU-Gesetzgebung sei besser als ihr Ruf, so Thomas Isenberg vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). So habe die Europäische Union einiges angetrieben, erläutert der vzbv-Fachbereichsleiter für Gesundheit und Ernährung - z.B. bei der Kennzeichnung von Nährwert und Allergenen in Lebensmitteln. In anderen Fällen macht der vzbv »substanzielle Schwachstellen« aus: Bei der Pestizidgesetzgebung hätten die Verbraucherschützer »mehr erwartet«. Europa ist näher, als viele Verbraucher glauben. So bestehe zur Zeit ein Einfuhrstopp für US-amerikanischen Langkornreis, da die GFS darin den gentechnisch modifizierten LLRice601 gefunden habe, der weder in USA noch in Europa zugelassen ist. GFS und BfR planen zudem bereits einen gemeinsamen Schwerpunkt: Untersucht werden sollen allergieauslösende Substanzen in Textilien.
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