Goldene Regeln für den Müggelsee

Freiwillige Vereinbarung bindet Wassersportler in den Naturschutz des Gewässers ein

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Waffenstillstand oder Friedensschluss am Müggelsee? Um Umwelt- und Artenschutz mit Wassersport und Massenerholung künftig in eine vernünftige Balance zu bringen, ist in den vergangenen Monaten eine »Allianz zum Schutz des Großen Müggelsees« geschmiedet worden. Am Dienstag haben Vertreter der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, des Bezirks Treptow-Köpenick, des Landessportbundes sowie der Landesverbände der Segler, Ruderer und Kanuten eine »Freiwillige Vereinbarung zur nicht motorisierten Sport- und Freizeitnutzung auf dem Großen Müggelsee« unterzeichnet. Sie gilt ab dem Saisonstart am 1. April.

Anfang Juli 2017 hatte Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) die Schutzverordnung für den Müggelsee unterzeichnet. Danach wird der größte Teil des Sees Landschaftsschutzgebiet, einige Randbereiche im Süden und Osten werden unter Naturschutz gestellt. Aus Sicht der Verwaltung handelte es sich dabei um einen überfälligen Akt, mit dem Berlin geltendes EU-Recht umsetzte - die Hauptstadt hatte 2002 gegenüber Brüssel die Region als Natura-2000-Gebiet angezeigt. Darüber hinaus hatte die Umweltverwaltung den Bezirk beauftragt, ein Steganlagen-Konzept zu erarbeiten.

Im Vorfeld dieser Entscheidungen hatte es mächtig Stunk vor allem im Berliner Osten gegeben. Der See zwischen Köpenick und Rahnsdorf ist traditionelles Ausflugs- und Erholungsgebiet, Bade- und Wassersportgewässer. Teile des Sees stehen schon länger unter Naturschutz, auch entnimmt das Friedrichshagener Wasserwerk große Mengen Trinkwasser für die Versorgung Berlins. Motorboot- und Schiffsverkehr ist daher auf enge Fahrrinnen beschränkt. Landschaftsschutz für das gesamte Areal, das würde neue Einschränkungen für alle bedeuten, selbst für die alteingesessenen Vereine der Segler, Ruderer und Kanuten, argwöhnten die Sportverbände. Allein im Bezirkssportbund sind 70 Wassersportvereine aktiv. Sie alle sahen Gefahr für die jedes Jahr stattfindenden 60 Regatten und den Trainingsbetrieb. Zudem sahen viele der bis zu 12 000 privaten Stegbesitzer im Bezirk ihre Rechte bedroht.

Berlins Umwelt-Staatssekretär Stefan Tidow ist froh, dass es gelungen ist, viele der Vorbehalte und Besorgnisse im ausführlichen Dialog zu zerstreuen. Bei diversen Zusammenkünften mit Verbandsfunktionären und direkt Betroffenen habe man genau zugehört, Verbote und Regeln überdacht. »Es gibt nun so gut wie keine Einschränkungen hinsichtlich der individuellen Nutzung von Segel- und Ruderbooten und Kanus«, sagte er. Das betreffe die Saison vom 1. April bis 31. Oktober. Schwieriger sei es gewesen, gemeinsame Kompromisse für die Zeiten außerhalb der Saison, etwa während der Rasten der Zugvögel oder auch der Ruhephasen in der Brutzeit zu finden.

Am Müggelsee geht es um den Schutz von zum Teil einzigartiger Flora und Fauna, unter anderem um die Erhaltung des Röhrichts sowie der Lebensräume vieler Tierarten wie Schellente, Eisvogel, Trauerseeschwalbe, Biber, Fischotter, Ringelnatter oder auch des Rapfens, eines eher seltenen Karpfenfisches.

»Die Unterzeichnung dieser freiwilligen Vereinbarung zeigt, dass Naturschutz und Wassersport kein Widerspruch sind«, erklärte der Staatssekretär. »Alle Beteiligten wollen die wunderschöne Natur am Müggelsee erhalten, damit auch unsere Kinder und Enkel sich am Müggelsee erholen und Sport treiben können.«

Kern der Vereinbarung sind »sechs goldene Regeln« zum Schutz der Natur des Großen Müggelsees, für die sich jeder Wassersportler künftig einsetzen soll. Es geht dabei um »Benimmregeln« für Sportbootfahrer wie das Meiden von Naturschutzgebieten und sensiblen Lebensräumen, um angemessenen Abstand zu markierten Schutzzonen, brütenden und rastenden Vögeln, das Nichtbefahren von Röhricht- und Schwimmblattzonen, die Nutzung ausgewiesener Landeplätze und Stege, die Sauberhaltung von Wasser und Uferzonen.

»Der organisierte Wassersport versteht sich als Botschafter für eine saubere Umwelt«, betonte Thomas Härtel, Vizepräsident des Landessportbundes. Der Vereinssport werde sich auf die Belange des Naturschutzes einstellten, Wettkampfkalender, Regatten und Trainingszeiten rechtzeitig zur Abstimmung einreichen, bei Problemen die Wassersportkommission einschalten. Die Sportverbände haben bedauert, dass die Naturschutzverbände der Unterzeichnung der Vereinbarung ferngeblieben sind. Bald soll ein neues Gremium die Umsetzung der Vereinbarung begleiten, dann sollen sie mit am Tisch sitzen.

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