Gazprom, Deutsche Bank und der Kalte Krieg

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland sind traditionell eng - beispielsweise auf dem Energiemarkt

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Russlands Wirtschaft hat sich von den internationalen Sanktionen gut erholt. Infolge der Krim-Krise und des Krieges in der Ukraine hatten 37 Länder, darunter alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die Vereinigten Staaten, 2014 eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, welche hauptsächlich Industrie und Banken treffen sollten. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel führte der durch die Sanktionen verursachte Rückgang im Warenaustausch allein im ersten Jahr für Russland zu einem Handelsverlust von umgerechnet über 50 Milliarden Euro. Daraufhin sank die Wirtschaftsleistung im Jahr 2015 um drei Prozent.

Doch inzwischen wächst die Wirtschaft in der Russischen Föderation wieder, und die offizielle Arbeitslosenrate sank auf 5,5 Prozent. Der von Präsident Wladimir Putin eingeschlagene politische Kurs der »Importsubstitution« zeigt Erfolge. Damit will die Regierung in Moskau die Wirtschaft unabhängiger von westlichen Importen machen. In 22 strategischen Branchen - von der Agrarproduktion bis zum Maschinenbau - sollen die Erzeugnisse in Russland produziert werden.

Russlands Einfuhren werden 2018 dennoch moderat zulegen. »Der stabile Rubel macht den Kauf von Importwaren wieder erschwinglich«, erklärt die bundesdeutsche Außenhandelsförderung Germany Trade and Invest (GTAI). Deutschland ist der zweitwichtigste Partner Russlands - hinter China. »Der deutsch-russische Handel nimmt nach vier Jahren Rückgang wieder Fahrt auf«, heißt es bei der GTAI.

Gleichzeitig belebe eine »strikte Haushalts- und Geldmarktpolitik« die Konjunktur, loben britische Bankanalysten. Begünstigt wurde die Erholung durch den Preisanstieg bei Öl und Gas, den wichtigsten Exportprodukten Russlands. Für dieses Jahr erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes um 1,6 Prozent, nachdem die Wirtschaftsleistung 2017 um geschätzte 1,8 Prozent zulegte. Einige Bankanalysten erwarten sogar ein Wachstum von bis zu zwei Prozent.

Dabei profitiert Russland von seinen traditionell engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland selbst während des Kalten Krieges. Seit den 1960er Jahren floss Erdöl durch die Pipeline »Freundschaft« in die DDR. Und mit dem legendären deutsch-sowjetischen Erdgas-Röhren-Geschäft wurden in den 1970er Jahren die Grundlagen für den heutigen Gas-Boom gelegt.

Mannesmann und Thyssen lieferten damals die Großrohre, durch die heute noch russisches Gas strömt. Politisch durchgesetzt und finanziert wurde das Projekt von der Deutschen Bank. Heute stammen laut des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie rund 40 Prozent der hierzulande verbrauchten Energie aus Russland. Geliefert wird sie hauptsächlich vom Staatskonzern Gazprom, dessen Gewinne größtenteils in den Staatshaushalt fließen.

Insgesamt beliefen sich die Exporte Russlands zwischen Januar und September 2017 auf umgerechnet über 200 Milliarden Euro - ein rasanter Anstieg um ein Viertel. Der Import betrug im selben Zeitraum rund 130 Milliarden Euro, gab das staatliche Zollamt FCS bekannt. Unterm Strich dürfte also die Außenhandelsbilanz für das vergangene Jahr mit einem dicken Plus von mehr als 100 Milliarden Euro abschließen. Das entspricht immerhin der Hälfte des Überschusses, den Exportweltmeister Deutschland erzielt.

Der Aufschwung kommt allerdings nicht überall an. Die Inflation ist mit 3,5 bis 4 Prozent immer noch recht hoch, und acht der 150 Millionen Bürger sollen kurz vor der Insolvenz stehen, schätzt die Vereinigung der Kreditbüros. Präsident Putin unterzeichnete deshalb kürzlich eine Amnestie für die Steuerschulden von Privatpersonen und Einzelkaufleuten.

Doch die internationale Konkurrenz schläft nicht. Die USA dringen mit preiswertem Flüssigerdgas (LNG) auf den europäischen Markt; ab 2020 will auch Aserbaidschan Gas durch eine neue Pipeline nach Westeuropa liefern. Und wie sich die Preise für Gas und Öl entwickeln, bleibt ebenso ungewiss und heikel wie die Zukunft der Sanktionen durch die Europäische Union und die Vereinigten Staaten.

Ohnehin ist das größte Land der Erde wirtschaftlich eigentlich zu klein. So ist das Bruttoinlandsprodukt deutlich kleiner als das von Frankreich. Moskaus Wirtschaftspolitiker suchen daher auch die Nähe zu Peking. Zuhause setzt die russische Regierung zur Ankurbelung der Wirtschaft auf die Digitalisierung, die finanzielle Förderung des Exports und die Erhöhung der Arbeitsproduktivität.

Politisches Ziel ist die Steigerung der Ausfuhren von Nicht-Rohstoffen. Unter anderem mit Lohnerhöhungen bei Staatsdienern sowie mehr Kindergeld für Familien will Russland die schwache Binnennachfrage ankurbeln.

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