- Wirtschaft und Umwelt
- Ozeankonferenz
Umstrittener Klimaschutz in den Meerestiefen
Fortschritte in Sachen Vermüllung, Kontroversen um den Tiefseebergbau: So endete die Ozeankonferenz
Missmutig blickt der Eisbär von seiner Scholle auf die französische Küstenstadt Nizza. Anders als auf den weltbekannten Naturfotografien klammert er sich nicht verzweifelt fest, sondern sitzt resigniert auf dem Hintern, den Kopf auf die Pfote gestützt. Die Kunstinstallation im Hafen von Nizza soll die Delegierten der rund 170 Länder zu entschlossenem Handeln ermahnen. Dort geht an diesem Freitag die dritte Ozeankonferenz der Vereinten Nationen zu Ende.
Die Meere befinden sich in einer Notlage, erklärte der UN-Untergeneralsekretär und Präsident der Konferenz, Li Junhua, zum Auftakt. Schuld daran seien »steigende Ozeantemperaturen, die Versauerung der Meere, Plastikmüll und eine Übernutzung der marinen Ressourcen«. Die Staatengemeinschaft soll, zusammen mit Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft, in Nizza Lösungen für diese Probleme finden. Der französische Präsident Emmanuel Macron tönte zu Beginn, die UN-Ozeankonferenz solle ähnlich bedeutend für den Meeresschutz sein wie die Pariser Klimakonferenz 2015 für den Kampf gegen die Klimakrise.
Ein etwas schiefer Vergleich: Anders als auf den Klimakonferenzen können auf der Ozeankonferenz keine völkerrechtlich bindenden Verträge beschlossen werden. Erklärtes Ziel war deshalb, neben einem »Nizza Ozean Aktionsplan« – eine politische Erklärung mit in erster Linie freiwilligen Selbstverpflichtungen – die Vorbereitung anstehender und rechtlich bindender Abkommen. Inhaltliche Schwerpunkte waren die Ausweisung von Meeresschutzgebieten, das Ende der Plastikverschmutzung und ein Moratorium für den Tiefseebergbau.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Schutzgebiete für die Meere
Um die Dauerüberlastung der Meere zu beenden, sollen 30 Prozent der Meeresfläche spätestens 2030 unter Schutz stehen. Das ist ein Ziel des 2022 in Montreal beschlossenen Weltnaturschutzabkommens. Bislang sind allerdings nur acht Prozent der Meere geschützt. Die Weltgemeinschaft hat also bis zum Ende des Jahrzehnts alle Hände voll zu tun. Um das 30-Prozent-Ziel zu erreichen, braucht es einen Rechtsrahmen für die Einrichtung von Meeresschutzgebieten auf hoher See. Dafür muss das schon vor zwei Jahren in New York beschlossene Hochseeabkommen der Vereinten Nationen in Kraft treten. Das passiert wiederum erst, wenn es 60 Länder ratifizieren, also in ein nationales Gesetz fassen. Bis zu Beginn der Ozeankonferenz waren diesen Schritt erst 32 Nationen gegangen.
In Nizza konnten hier wichtige Fortschritte erzielt werden. Etwas mehr als 50 Länder haben den Vertrag ratifiziert. Damit ist zwar die 60-Länder-Marke nicht geknackt, aber es gilt als sicher, dass das bis zur UN-Generalversammlung im September nachgeholt wird. Auch Deutschland und die EU müssen hier noch nachziehen. Bundesumweltminister Carsten Schneider beteuerte, dass Deutschland bis September liefern werde. »Wenn die große Bühne in Nizza abgebaut ist, zählt, was in Berlin passiert«, sagte Franziska Saalmann von der Umweltorganisation Greenpeace. Mit klaren Finanzierungszusagen, Vorschlägen für Schutzgebiete und enger internationaler Zusammenarbeit müsse Deutschland auch auf eine schnelle Umsetzung drängen.
Vermüllung der Meere
Zwischen 80 und 150 Millionen Tonnen Plastik schwimmen in den Weltmeeren herum. Ob als Schlinge um den Hals einer Meeresschildkröte, im Magen von Fischen und Seevögeln oder als Umweltgift in Form von ausgelösten Chemikalien – der Plastikmüll bedroht die marinen Ökosysteme. Seit zwei Jahren versucht die Weltgemeinschaft, ein Plastikabkommen auszuhandeln. Zuletzt endeten entsprechende Verhandlungen im Dezember letzten Jahres im südkoreanischen Busan ergebnislos.
Im August wird im schweizerischen Genf ein weiterer Versuch unternommen. In Nizza forderten 95 Staaten, die Produktion von Primärkunststoffen zu begrenzen. Außerdem sollen alle Länder verpflichtet werden, über die Produktion sowie die Ein- und die Ausfuhr dieser Stoffe Bericht zu erstatten. Umweltverbände lobten den Vorstoß. Sicherheit können aber erst die Verhandlungen in Genf bringen.
Tiefseebergbau bleibt kontrovers
»Die Tiefsee muss geschützt bleiben«, erklärte Deutschlands Umweltminister Schneider bei seiner Rede in Nizza. Es gebe noch zu große Wissenslücken und deshalb müsse es eine »vorsorgliche Pause« beim Tiefseebergbau geben. Für ein entsprechendes Moratorium setzte sich Deutschland im Vorfeld der Konferenz gemeinsam mit 32 anderen Staaten ein. Obwohl zahlreiche Länder in Nizza ebenfalls ihre Bedenken gegenüber dem Tiefseebergbau betonten, gewann die Forderung nach einem Moratorium nur vier weitere Länder hinzu.
Im »Nice Ocean Action Plan« bestärken die Länder allerdings die Bedeutung der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA in dieser Frage. Aufgabe der Behörde mit Sitz in Jamaika ist es, gemeinsam mit den Mitgliedsländern ein festes Regelwerk für den Abbau von Mineralien wie Mangan auszuarbeiten. Die Autorität der Behörde in dieser Frage war zuletzt in Zweifel gezogen worden. Das kanadische Unternehmen The Metals Company (TMC) beantragte kurzerhand eine Bergbaugenehmigung für die Tiefsee bei der US-Ozeanbehörde NOAA. US-Präsident Donald Trump hatte wenige Wochen zuvor ein Dekret unterschrieben, wonach die USA den Tiefseebergbau in internationalen Gewässern auf eigene Faust voranbringen sollen.
»Tiefseebergbau ist eine maximal umweltzerstörerische, neue industrielle Ausbeutung der Meere, die Menschen und Umwelt im Pazifik bedroht«, kommentierte Jan Pingel vom Ozeanien-Dialog, einem Zusammenschluss von Umwelt- und Entwicklungsverbänden, den US-Vorstoß. Die Wissenschaft warnt, dass die Tiefsee noch kaum verstanden ist und die Folgen des Bergbaus demnach nicht abschätzbar seien.
Ob sich Tiefseebergbau tatsächlich wirtschaftlich betreiben lässt, ist zudem noch vollkommen unklar. Investitionen in Unternehmen wie TMC werden als Risikokapital gehandelt. Klassische Bergbauunternehmen lassen bisher die Finger vom Bergbau am Tiefseeboden. Im Juli werden die Verhandlungen über das Regelwerk für den Tiefseebergbau fortgesetzt. Deutschland, die EU und 170 weitere Staaten sind – im Gegensatz zu den USA – Mitglied der ISA.
Gemischte Stimmung
Die Reaktionen auf den Abschluss der Ozeankonferenz fielen gemischt aus. Die UN-Meereskonferenz ende mit einem klaren Bekenntnis zum globalen Meeresschutz, lobte am Freitag ein Netzwerk aus verschiedenen Umweltorganisationen wie dem BUND und Greenpeace. Auch der WWF sieht in der Konferenz ein wichtiges Signal. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Sascha Müller-Kraenner kritisierte hingegen: »Die UN-Ozeankonferenz hätte ein Wendepunkt für den Schutz mariner Biodiversität und die Bekämpfung der Klimakrise sein können – doch stattdessen wurde der Schutz nur behauptet, nicht beschlossen.« Auch der missmutig auf seiner Scholle sitzende Bär wird sich wohl noch gedulden müssen.
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.