Von wegen Generationenkonflikt

Studie: Eine gute Rente bedeutet für junge Menschen eine lebenslange Auszahlung im Alter

Der häufigste Grund für junge Menschen nicht zu sparen, liegt auf der Hand: Sie haben nicht genug Geld dafür.
Der häufigste Grund für junge Menschen nicht zu sparen, liegt auf der Hand: Sie haben nicht genug Geld dafür.

Es ist ein viel beschworenes Thema in der Rentendebatte: der sogenannte Generationenkonflikt. Dessen Quintessenz: Ältere Menschen kommen mit den Renten nicht mehr über die Runden, aufgrund des Umlagesystems müssen junge Menschen immer mehr einzahlen. Sie selbst würden künftig wegen der demografischen Entwicklung, der Überalterung, nicht mehr vom Rentensystem profitieren. Die Metallrente-Jugendstudie kommt zum Schluss: Von der jüngeren Bevölkerung geht dieser Konflikt jedenfalls nicht aus.

»Man kann in unseren Ergebnissen im Gegenteil große Solidarität zwischen den Generationen sehen«, sagt der Ökonom Christian Traxler bei der Vorstellung der Studie im Haus der Bundespressekonferenz am Mittwoch. Als Antworten auf die Frage, wie das gesetzliche Rentensystem stabilisiert werden solle, entschieden sich junge Menschen weder dafür, aktuelle Renten zu kürzen noch für ein späteres Renteneintrittsalter. Sie forderten, überraschenderweise, wie es Traxler ausdrückt, Maßnahmen die sie selbst beträfen: Höhere Beitragszahlungen und eine Ausweitung der steuerlichen Bezuschussung durch Bundesmittel. Junge Menschen zwischen 17 und 27 streben nach Sicherheit im Alter, wollen selbstständig vorsorgen, ihnen fehlt es aber häufig an Wirtschaftswissen. Das sind die zentralen Ergebnisse der Jugendstudie.

Metallrente ist ein Branchenversorgungswerk. Ursprünglich von den Tarifvertragsparteien Gesamtmetall und IG Metall für die Metall- und Elektroindustrie gegründet, vertritt es inzwischen auch andere Wirtschaftszweige. Die seit 2010 durchgeführte Befragung hat zum Ziel, die betriebliche Altersvorsorge stärker zu verbreiten und ein größeres Bewusstsein junger Menschen für Finanzbildung zu schaffen. Die betriebliche Altersvorsorge ist, neben der gesetzlichen sowie der privaten Vorsorge, eine der drei Säulen des Rentensystems. Arbeitnehmer*innen haben demnach ein Recht auf Entgeltumwandlung. Teile Ihres Lohns oder Gehalts können für eine spätere Betriebsrente gespart werden.

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Insgesamt würden 88 Prozent der Befragten jungen Menschen sparen, 54 Prozent davon für die Altersvorsorge, so die Studie. Dabei greifen immer weniger zu traditionellen Methoden wie Sparbüchern. Die Riester-Rente, in die 2010 noch 50 Prozent der Sparenden investierten, nutzen inzwischen nur noch 17 Prozent. Auch das Vertrauen in die gesetzliche Rente ist in den letzten Jahren leicht zurückgegangen.

Das sei bei den politischen »Vor- und Zurücks« verständlich, so Metallrente-Geschäftsführer Hansjörg Müllerleile. Während der Ampel-Regierung hatte die SPD auf eine Sicherung des Rentenniveaus gesetzt, die FDP dagegen auf den Aktienmarkt und das sogenannte Generationenkapital. Die angekündigte Rentenreform wurde dann nie beschlossen.

62 Prozent der Befragten legen ihr Geld inzwischen in Aktien und Fonds an. »Das reflektiert nicht nur die Nachfrageseite, sondern auch die Angebotsseite«, erklärt Traxler. Fintechs, technologisch weit entwickelte Finanzinnovationen wie zum Beispiel Kryptowährungen, haben sich seit 2016 erfolgreich verkauft. Zugleich sehen junge Menschen in einer guten Altersvorsorge zu 96 Prozent eine lebenslange Rentenleistung – also das, was eine Aktienrente gerade nicht auszeichnet. Für 95 Prozent der Befragten bedeutet eine gute Rente zudem, dass das Geld nicht am Aktienmarkt verloren geht.

Derlei Widersprüche spiegeln sich im Finanzwissen jener Altersgruppe. Das befindet sich auf einem erschreckend niedrigen Niveau, bemängelt Wirtschaftspädagogin Carmela Aprea. So wussten nur 55 Prozent der Befragten, dass hohe Renditen mit hohen Risiken einhergehen, nur 54 Prozent würden sich mit Diversifikation – also der Risikominimierung durch das Verteilen von Vermögen auf verschiedene Anlagen – auskennen.

»Die Altersvorsorge darf kein undurchsichtiges Labyrinth bleiben.«

Carmela Aprea
Wirtschaftspädagogin an der Universität Mannheim

Frauen geben besonders häufig an, die Wissensfragen nicht beantworten zu können. Aprea schließt daraus auf eine starke Unsicherheit, die bestehende finanzielle Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verfestigen könnte. »Das unterstreicht die Notwendigkeit entsprechender Finanzbildungsangebote«, fordert sie. »Die Altersvorsorge darf kein undurchsichtiges Labyrinth bleiben.« Deutschland ist das einzige OECD-Land ohne Finanzbildungsstrategie.

Jene jungen Menschen, die nicht selbstständig für das Alter sparen, geben jedoch als Hauptgrund an, gar nicht genügend Geld zu haben. Der ehemalige Rentensprecher der Partei Die Linke im Bundestag, Theodor W. Birkwald, betonte deshalb regelmäßig: Es gibt in Deutschland kein Generationenproblem, es gibt ein Verteilungsproblem.

Die SPD-CDU-Regierung plant indes, gesetzliche Rentenbezüge über Anreize für längeres Arbeiten zu stärken. Im Koalitionsvertrag finden sich darunter steuerfreie Gehälter bis 2000 Euro im Monat, Verbesserungen der Hinzuverdienstmöglichkeiten bei der Hinterbliebenenrente oder Einmalzahlungen durch die sogenannte Rentenaufschubprämie. Arbeitsmarktforscher*innen wie Yvonne Lot von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung fürchten dadurch eine Verschärfung von Ungleichheiten zu Ungunsten von Frauen und Menschen im Schwerarbeitssektor. Sie könnten aufgrund von Sorgearbeit und hoher Arbeitsbelastung nicht mehr arbeiten und würden demnach zusätzlich benachteiligt.

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