Sloweniens Premier geht

Miro Cerar hat kurz vor Ende der Legislaturperiode überraschend seinen Rücktritt erklärt

  • Thomas Roser, Budapest
  • Lesedauer: 3 Min.

Ausgerechnet der Kapitän verlässt als erster Sloweniens schlingerndes Regierungsschiff. Selbst die Koalitionspartner von Regierungschef Miro Cerar waren perplex, als der Jurist am späten Mittwochabend vor den Kameras der Nation ebenso pathetisch wie überraschend seinen Rücktritt ankündigte. »Die Kräfte der Vergangenheit erlauben uns nicht, für die zukünftigen Generationen zu arbeiten«, begründete der 54-jährige Chef der nach ihm benannten SMC den »lieben Mitbürgern« seinen Abtritt kurz vor Ende der Legislaturperiode: »Ich gebe die Macht zurück in Eure Hände.«

Dejan Zidan, Chef der mitregierenden sozialdemokratischen SD, zeigte sich von Cerars frühzeitigen Handtuchwurf überrumpelt. Der Premier habe die Partner vorab weder informiert noch konsultiert, sagte er. Anders konservative Oppositionschef Janez Jansa (SDS): Er sei über Cerars Schritt »nicht überrascht«, versichert er. Jansa witterte hinter dem Rücktritt wieder einmal düstere Verschwörungen: Die »interessierten Kreise«, die Cerar 2014 als »neues Gesicht« in die Politik gehievt hätten, wollten mit einer Verkürzung der Legislaturperiode »so viel wie möglich Chaos verursachen«, um eine »erfolgreiche Rechtsregierung zu verhindern«.

In seiner Ägide habe Slowenien das Krisental verlassen und weise nun eine der höchsten Wachstumsraten der EU auf, pries Cerar bei Ankündigung des vorzeitigen Endes seiner Regierungsmission noch einmal seine Verdienste. Sicher scheint, dass der selbst ernannte Staatserneuerer mit seiner Spontanaufgabe kurz vor Zieleinlauf selbst bei ihm noch gewogenen Anhängern kaum Verständnis finden dürfte.

Ändern wird sich mit dem Abtritt wenig. Bis auf weiteres will Cerar weiter geschäftsführend im Blatt bleiben, der Wahltermin könnte allenfalls von Juni auf Mai vorgezogen werden. Der Zeitpunkt der Demission scheint denn auch ebenso unsinnig wie der Anlass nichtig: Der Oberste Gerichtshof hatte die Regierung für schuldig befunden, ein im September abgehaltenes Referendum über eine Eisenbahntrasse mit der Finanzierung der Befürworter-Kampagne widerrechtlich beeinflusst zu haben - und dessen Wiederholung angeordnet.

Nun war das Milliardenprojekt zur besseren Anbindung von Sloweniens Meereshafen Gafers (Koper) zwar einer der Trümpfe, mit der die SMC in den Stimmenstreit ziehen wollte. Doch Cerars Entrüstung über das Urteil, dass das Projekt keineswegs endgültig gestoppt hat, wirkt völlig überzogen.

Ob er nun aus gekränkter Juristenehre, Amtsverdruss oder möglicherweise wahltaktischen Gründen die beleidigte Leberwurst mimt: Seine Chancen auf eine Wiederwahl waren zuletzt ohnehin kräftig geschwunden.

Neuer Star auf Sloweniens wandelfreudigem Politparkett ist der frühere Politiker-Imitator Marjan Sarec: Wie bei den Parlamentswahlen 2011 und 2014 könnte sich laut jüngsten Umfragen mit der Wahlliste des heutigen Bürgermeisters der Kleinstadt Stein in Krain (Kamnik) ein Parteineuling beim kommenden Urnengang auf Anhieb zur stärksten politischen Kraft der Alpenrepublik mausern.

Da auch dieser bei einem Wahlerfolg auf eine Mittelinkskoalition setzten will, sieht der sektiererische Jansa wieder einmal dunkle Mächte zur Verhinderung seiner Rückkehr auf die Regierungsbank am Werk: Die einstigen Cerar-Wähler sollten Sarec in die Arme getrieben werden, um eine »neue Marionettenregierung« zu installieren.

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