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Freundliche Kampfansage
Uwe Kalbe über die Bertelsmann-Studie zu Demokratien und Autokratien
Die Bertelsmann-Studie bietet dem westeuropäischen Citoyen die Bestätigung eines Gefühls der Überlegenheit oder des durchaus unverdienten Glücks, je nach mentalem Grundgestus. Tatsächlich ist politische Freiheit eine Voraussetzung individueller wie gesellschaftlicher Beweglichkeit und Entfaltungsmöglichkeit. Auch das Wissen von den Kämpfen, die meist andere ausgefochten haben, um die heutigen Regularien der Demokratie zu erreichen, kann beitragen, diese zu schätzen. Gleichzeitig weiß man: Die Einschränkung der Freiheit des einen ist auch in Demokratien Voraussetzung für ein Übermaß von Freiheit anderer.
Auch in Demokratien wird persönliche Freiheit verhandelbar, wo es staatlich angeraten scheint oder auch nur nicht verhindert wird - wie in Datenmissbrauch und Videoüberwachung deutlich wird. Vor allem beginnt soziale Freiheit mit der Verfügungsfreiheit über materielle Güter - in Demokratien wie Autokratien. Solange dies so ist, ist der Vergleich von Demokratie und Autokratie auch eine Art Kampfansage, Legitimationsversuch und Überlegenheitsnachweis der eigenen Staatsform. Demokratie bewahrt nicht vor dem Machtkampf, der über den Zugang zu Wohlstand und Ressourcen entscheidet und dabei über Leichen geht, Regimewechsel anzettelt oder herbeibombt. Überlegenheitsstudien sind Teil dieses Kampfes.
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