Ein Segler bleibt auf See

Volvo Ocean Race: Auf dem Polarmeer geht der Brite John Fisher über Bord, nach Stunden wird die Suche eingestellt

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist der zweite Todesfall innerhalb weniger Monate bei der Segelregatte Volvo Ocean Race. Während der siebenten Etappe von Auckland (Australien) nach Itajaí (Brasilien) verunglückte der Segler John Fisher aus dem Team »Sun Hung Kai/Scallywag« am Montag und ging über Bord. Eine umgehend eingeleitete Such- und Rettungsaktion der Crew unter dem Kommando des australischen Skippers David Witt blieb erfolglos und musste aufgrund der sich verschlechternden Wetterlage nach sieben Stunden abgebrochen werden. »Wir müssen jetzt davon ausgehen, dass wir John auf See verloren haben«, sagte Ocean-Race-Präsident Richard Brisius in einer Stellungnahme.

Der aus dem britischen Southhampton stammende Fisher (Spitzname: Fish) war am Montagmorgen auf der Rennjacht des Typs Volvo Ocean 65 auf Morgenwache, als ihn bei stürmischer See eine Welle erfasste und von Bord zog. Die Zeit, die ein Überbordgegangener bei einstelligen Wassertemperaturen bleibt, wird mit etwa 20 Minuten beziffert - selbst wenn man, wie Fisher es tat, einen Überlebensanzug trägt. Gleichzeitig sind die Chancen, einen Menschen bei tobender See und stürmischen Winden im Wasser zu entdecken begrenzt - selbst mit modernsten Mitteln. Bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 35 Knoten (rund 65 km/h), einem Wellengang von fünf bis zehn Meter Höhe und einer Wassertemperatur von höchstens neun Grad habe der erfahrene Hochseesegler keine Chance mehr, noch lebend gefunden zu werden, hieß es nach sieben Stunden Suche.

Nach dem Unglück hatte das Team den Veranstalter verständigt. Ein rund 400 Seemeilen von der Unglücksstelle entferntes Schiff wurde umgeleitet. Bei einbrechender Nacht musste die Crew die Rettungsaktion wegen der Aussichtslosigkeit und den weiterhin lebensgefährlichen Bedingungen abbrechen. Die Jacht nahm Kurs auf die 1200 Seemeilen entfernte Küste Südamerikas: Acht Crewmitglieder, laut Pressemitteilung wohlbehalten, aber todtraurig.

»Natürlich ist die Crew nach dem, was sie gerade erlebt hat, emotional und körperlich ausgelaugt«, sagte Ocean-Race-Chef Brisius. Der Sponsor und Eigner des Teams, Lee Seng Huang, äußerte in einer Stellungnahme sein Beileid: »Unsere Gedanken und Gebete sind in dieser schwierigsten Zeit bei Johns Familie und der Crew. Der Fokus ist nun darauf gerichtet, die Crew in einen sicheren Hafen zu bekommen.«

Das Drama um John Fisher ereignete sich etwa 1400 Seemeilen vor dem südamerikanischen Kap Hoorn. Dieser Abschnitt des Rennens gilt als als Königsetappe. Die Seglerinnen und Segler sind bei der Umsegelung des Kap Hoorns dauerhaft Windstärken von mindestens 30 bis 40 Knoten (rund 55 - 74 km/h) ausgesetzt. Mit 7600 Seemeilen (rund 14075 Kilometern) ist es das längste Teilstück dieser Regatta rund um die Welt. Die Etappe führt tief in das Südpolarmeer, so tief, dass eine bestimmte Linie gen Süden nicht überschritten werden darf, um Kollisionen mit Eisbergen zu vermeiden.

Fisher ist nicht der erste Tote beim Volvo Ocean Race 2018. Bereits auf der vierten Etappe von Melbourne nach Hongkong starb ein Mensch, als das dänisch-amerikanische Team »Vestas« 30 Seemeilen vor dem Zielhafen mit einem einheimischen Fischkutter zusammenstieß. Ein Fischer kam ums Leben. Die Vestas-Crew blieb unverletzt, erklärte jedoch nach dem Zwischenfall den Ausstieg aus dem Rennen.

Insgesamt sechs Jachten waren am 18. März zur siebten Etappe vom neuseeländischen Auckland nach Itajaí in Brasilien gestartet. Fisher, der zuletzt im australischen Adelaide lebte, nahm erstmals an dem Rennen teil. Dennoch galt er als sehr erfahrener Segler. Das Volvo Ocean Race begann am 17. Oktober im spanischen Alicante und soll nach elf Etappen und 45 000 Seemeilen (80 000 Kilometer) im Juni in Den Haag in den Niederlanden enden. Fishers Teamkollegen von der »Sung Hung Kai/Scallywag« ist als Außenseiter in die Regatta gestartet, liegt aber derzeit in der Wertung auf Platz drei.

Wie schwierig es ist, Überbordgegangene zu finden, hatte die Mannschaft des nun Verunglückten bereits Mitte Januar diesen Jahres erlebt: Während der vierten Etappe war der 24-jährige Alex Gough bei einem Segelwechsel über Bord gegangen. »Als sich das Boot in einer Welle aufbäumte, wurde Gough über Bord geworfen«, so beschrieb es der Skipper David Witt später. Und an seinen Kollegen Gough gerichtet: »Einige Knoten mehr und Dunkelheit und du wärst jetzt tot.« Zuvor hatte sich das Team nördlich von Papua-Neuguinea als erstes aus einem mehrere Tage andauernden Windloch befreit und damit ordentlich Meilen auf die Konkurrenz gut gemacht. Gough hatte sich nach seiner Rettung erleichtert gezeigt: »Ich war ziemlich dumm, aber Gott sei Dank sind die Jungs sehr schnell umgedreht. Ein wenig ängstlich war ich schon, die Minuten im Wasser waren ziemlich lang«

Für Gough Teamkollegen John Fisher ging die Sache nun leider nicht so glimpflich aus. »Fish« hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.

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