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Kampf um die Frauen: Bundesliga-Klubs versus DFB
Beim Gründungsakt des Ligaverbandes der Frauen wird der Dachverband zum Störfaktor
Unten am Aufgang zu den Logen der Frankfurter Arena steht ein großer Weihnachtsbaum, unter dem bunte Geschenkeverpackungen liegen. Nach der am Mittwochabend erfolgten Gründung der Frauen-Bundesliga FBL e.V. fühlte sich der »historische Tag« jedoch fast so an, als wären Heiligabend leere Kartons ausgepackt worden. Wo bitte ist der Inhalt, um den Fußball der Frauen in eine glanzvolle Zukunft zu führen?
Die zur Präsidentin des Ligaverbandes gewählte Katharina Kiel sprach zwar von einem »Anfang für eine starke, sichtbare und unabhängige Liga«, aber die Direktorin von Eintracht Frankfurt konnte und wollte über vage Andeutungen nicht hinausgehen, wie der Prozess zur Professionalisierung nach dem formalen Akt nun weiter ablaufen wird. »Unsere Aufgabe bleibt es, ergebnisoffen die nächsten Schritte zu gehen.« Sehr bemüht war die 33-Jährige aber dabei, sich neutral gegenüber dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu geben, der als Mutterverband der logische Partner wäre. Einen Weg ganz ohne den Verband hält Frankfurts Vorstandschef Axel Hellmann für »nicht erstrebenswert«. Aber die Grundlage für eine Zusammenarbeit sei klar: »Es kann gar nicht anders sein, dass am Ende wir die Entscheidungshoheit über die Entwicklung des professionellen Frauenfußballs haben werden.«
»Stimmungskiller« DFB
Hellmann hatte trotz des zuvor öffentlich ausgetragenen Streits auch DFB-Chef Bernd Neuendorf eingeladen. »Wir haben auch telefoniert, als es etwas kantiger und verwinkelter wurde.« Doch dem Verbandspräsidenten entglitt das Grußwort, einige Klubverantwortliche berichteten danach von einer Rede, die wie ein »Stimmungskiller« wirkte. Vieles hätte sich nach einer Rechtfertigung in eigener Sache angehört. Statt seine eigene Rolle zu erklären, hätte Neuendorf besser das große Ganze verknüpfen sollen, lautete der Vorwurf.
Auch die als Ehrengast geladene Uefa-Direktorin Nadine Keßler dürfte sich gewundert haben: Vorbildlich für Europa ist es bestimmt nicht, wie sich der Gastgeber der Frauen-EM 2029 beim Weg in die Eigenständigkeit zerstritten hat. Für Hellmann ist die Frage, »auf welcher Grundlage man zusammenarbeitet. Offensichtlich haben wir bislang einen Dissens über die Frage, wie ein Joint Venture ausgestaltet werden soll.« Nach Dafürhalten des 54-Jährigen müsse im Januar ausgelotet werden: »Haben wir uns völlig missverstanden oder stecken andere Erwägungen dahinter, wenn wir nicht zusammenkommen?« Hellmann würde dann gerne noch sagen können: »Okay, es hat ein bisschen gerüttelt, es wurde ein bisschen erschüttert, aber es ist nichts komplett kaputtgegangen.«
Konstrukt ohne Verband
Der Graben scheint jedoch eher größer als kleiner geworden zu sein. Ob der DFB einen Weg findet, sich gesichtswahrend zu beteiligen, ist sehr fraglich. Der 1. FC Union Berlin oder der VfL Wolfsburg können sich inzwischen ein Konstrukt ohne den Verband vorstellen. Union-Präsident Dirk Zingler, merkte an, dass es in der freien Wirtschaft undenkbar wäre, dass derjenige das Sagen reklamiert, der deutlich weniger Geld investiert.
Bei den nachträglich angeführten Anmerkungen des DFB für vorher gemeinsam vereinbarte Projekt sei »man fast bewusstlos geworden«, berichtete ein anderer Vereinsvertreter. Die Mehrheit der Klubs will den Dachverband, der noch bis zum Sommer 2027 das Sagen hat, dennoch an Bord behalten. In einem Joint Venture wären der neue Ligaverband und die DFB GmbH & Co. KG mit je 50 Prozent beteiligt. Der DFB würde 100 Millionen Euro für die nächsten acht Jahre investieren, die Vereine 800 bis 900 Millionen Eruo.
Eigenständigkeit und Werte
Wegen der starken Konkurrenz aus England, Spanien und Frankreich wäre es ratsam, die Liga schnell und kraftvoll gemeinsam voranzubringen – und damit auch weitere Abgänge deutscher Nationalspielerinnen aufzuhalten. Die Eigenständigkeit betonte Florian Zeutschler, Vizepräsident von der SGS Essen, damit, dass man in Abgrenzung zu den Männern »keine DFL 2.0« werden wolle: »Zu unseren Aufgaben gehört es auch, die Werte des Frauenfußballs beizubehalten.« Keine unwichtige Anmerkung. Insgesamt verläuft der vor anderthalb Jahren eingeschlagene Weg in die Eigenständigkeit ähnlich schleppend wie die Entbürokratisierung Deutschlands. Es wird viel geredet, oft gestritten – aber am Ende merkt kaum jemand eine Verbesserung.
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