Im Rausch der Mandelblüte

Unterwegs im Norden Portugals zu UNESCO-Welterbestätten

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 5 Min.

Wer eine Blütenexplosion in einer fesselnden Landschaft genießen will, dem sei jetzt im Frühling Nordportugal empfohlen. Das Schauspiel bietet sich beispielsweise in der Gegend von Miranda do Douro, wo der Douro und mehrere Zuflüsse tiefe Schluchten in altes Granitgestein gefressen haben. Hier setzen zahllose weiße und zartrosa Blüten Farbtupfer, während sich die Hochebene noch im Winterschlaf befindet. Die Mandelblüte kündigt den lang ersehnten Frühling an. Die Nächte sind noch kühl, tagsüber wird es »Trás-os-Montes« (Hinter den Bergen) aber warm. Das führt im März regelrecht zur Explosion der vielen Mandelbäume.

Der erste Blick auf eine Staustufe macht Miranda wenig einladend. Doch vom ersten Blick sollte man sich in Portugal nie trügen lassen, sondern sich Zeit nehmen für Land und Leute. Denn ein Schatz sind die Bewohner, ihre herzliche Gastfreundschaft und Lebensfreude in einer armen Region. Die Mirandés sind schnell zu jeder Hilfe bereit, nehmen sich alle Zeit der Welt für Auskünfte und einen Schwatz.

»Schaut euch die Kathedrale und die Burgruine an, von oben habt ihr eine tolle Aussicht auf die Douro-Schleifen«, rät Ines. Sie steht vor einem der kalkweißen Häuser in der Altstadt von Miranda do Douro, wo sie den unscheinbaren Laden »Sabores da Muralha« betreibt. Hier verkauft sie exzellente regionale Produkte. 2010 hat sie den Preis für »Nachhaltige Existenzgründung« erhalten.

Ausblicke auf blühende Mandelbäume oder graugrüne Olivenbäume vor ebensolchen Felsschluchten und den Fluss begeistern genauso wie der Besuch der dreischiffigen Kathedrale und der Burgreste. Nur gut 2000 Bewohner gibt es hier, kaum zu glauben, dass sie das ganze Jahr über Feste auf die Beine stellen. Immer am letzten Märzwochenende wird die süße »Bola« gefeiert, begleitet von Konzerten und Tänzen. Dass junge Leute nicht abwandern, wie in so vielen anderen abgelegenen Gegenden, dazu trägt auch der Kulturverein »Lérias« bei. Er pflegt Musik, Kultur und Traditionen und das »Mirandés«, die einzige anerkannte Regionalsprache Portugals. Und auch kulinarisch bietet Miranda mit dem Restaurant »Balbina« einen Diamanten. Eine alte Dame sorgt am offenen Feuer dafür, dass man exzellent gegrillten Stockfisch, Zicklein oder Lamm erhält.

Gestärkt saugt man dann bei einer Wanderung im angrenzenden Douro-Naturpark die grandiose Landschaft auf und genießt an Aussichtspunkten bei Vale de Áigua, Aldea Nova oder Paradela unvergessliche Blicke. In diesen Weilern scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, Esel sind noch heute normales Transportmittel. Schon wegen der interessanten Gespräche lohnt sich auf jeden Fall ein Besuch in einer Dorfkneipe, wo man außerdem natürlich auch einfach guten Wein genießen kann.

Martinha Sebastiao ist die gute Seele der Bar in Paradela. Von einer sich schnell verschlimmernden Krankheit gezeichnet, hütet sie auf Krücken den Tresen, während ihre Mutter sich um Weinbau, Garten und Tiere kümmert, ortstypische Salamis herstellt oder Schnaps brennt. »Wollen Sie probieren«, fragt die Mutter, die sich zur Runde hinzugesellt hat. »Vorsicht«, warnt Martinha, »der ist sehr stark.« Der Tresterschnaps ihrer Mutter hat fast 60 Prozent. »Ich mache auch Liköre, die sind weniger stark«, sagt diese. Und sogleich stellt sie ein paar Flaschen zum Probieren auf dem Tresen - gratis, wie der Trester. »Die sind unverkäuflich, wir trinken sie bei unseren Festen.« Martinha hat trotz des schweren Leidens die Lebensfreude nicht verloren. Sie lädt uns sofort ein: »Schaut auf meine Facebook-Seite«, sagt sie. Dort veröffentlich sie alle Termine.

Wir bedanken uns für die Gastfreundschaft und folgen dem Douro weiter, der gleich zu zwei UNESCO- Weltkulturerbestätten führt: zum Weinbau in einer grandiosen Terrassenlandschaft des »Alto Douro« - seit 2001 Weltkulturerbe - wo die Mandelblüte früher beginnt. Von hier stammen die Trauben für Portwein und andere exzellente Weine und Brandys. Seit der Altsteinzeit siedeln hier Menschen. Schon lange vor Christus wurden Getränke aus Trauben hergestellt, der Alto Douro ist eine Wiege des Weins.

Steinzeitliche Zeugnisse finden sich im archäologischen Museum und im Archäologiepark Vila Nova de Foz Côa, wo sich beide UNESCO-Stätten überlappen. Neben Weinbau ist Foz Côa für archäologische Funde bekannt, weshalb es schon seit 1998 Weltkulturerbe ist. Fahrten ins Tal, wo Felszeichnungen nicht gemalt, sondern in den Stein gemeißelt wurden, organisiert das Museum. Man sollte sich aber unbedingt im Voraus anmelden. In Tua dann gehört eine Flussfahrt ins Besuchsprogramm. Entweder man nimmt das Schiff bis Pinhão oder fährt mit dem Zug durch das Tal, erkundet Pinhão, probiert Weine, Essen und Schnäpse, um dann die Rückfahrt per Schiff anzutreten. So kann man zwei Perspektiven von einem der schönsten Abschnitte des Douro-Tals genießen.

Wir folgen dem Fluss nicht weiter Richtung Porto, sondern zweigen nach Alijó in die Höhe ab. In Porto hatte der Wein »Olho no Pé« (Auge am Fuß) im Restaurant »Folias de Baco« unsere Aufmerksamkeit erregt, und wir wollen uns das Weingut anschauen. »Ich habe das Weingut geerbt und probiere viel aus«, erklärt Tiago Sampaio. Das 2013 eröffnete Restaurant war eine Idee, um seine Weine und andere lokale Produkte zu vermarkten. Weil der Mittdreißiger von Anfang an ökologischen Weinbau betrieb, hat man ihn zunächst für verrückt erklärt. Inzwischen aber macht sein Beispiel Schule. Mehr und mehr Weinbauern setzen ebenfalls auf natürliche Produktion.

»Da es hier oben kühler ist, kann ich gute Weißweine und Pinot Noir anbauen, sie sind eleganter, weicher und frischer«, sagt der Önologe und Agraringenieur und verweist auch auf seinen »Alvarinho«. Der »kleine Weiße vom Rhein«, wie er übersetzt heißt, soll einst mit Mönchen aus Deutschland auf dem Jakobsweg in die Region gelangt sein. Auch seine Rotweine sind nicht so schwer und alkoholgeladen wie die aus dem Tal. Zum Einkauf geht es vom Weingut ins improvisierte Lager in Alijó. Denn ein paar seiner Köstlichkeiten wollen wir uns unbedingt mit nach Hause nehmen.

Infos

Fremdenverkehrsverband Portugal:
Tel.: (030) 254 10 60
www.visitportugal.com/de

Anreise: Diverse Airlines bieten täglich Flüge von deutschen Flughäfen nach Porto an. Möglich ist auch, das 150 Kilometer entfernte spanische Valladolid anzufliegen und per Mietwagen anzureisen. Das Douro-Tal kann mit dem Zug bis Pocinho von Porto aus erschlossen werden. Infos: portoportugalguide.com/de/linha-do-douro-zug-bahnstrecke-de.html

Für Wohnmobil-Besuche besonders geeignet; neben Campingplätzen gibt es oft schöne Standplätze gratis.

Reiseführer: »Nordportugal«, Michael Müller Verlag, 16,90 €

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