Der Ölpreis steigt wieder

Technische Analysen und fundamentale Daten lassen zukünftig stärkere Schwankungen erwarten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Zentralbanken begründen ihre ex-trem niedrigen Leitzinsen mit dem allgemein niedrigen Preisniveau. Dass die Preise seit Langem nicht so richtig in Schwung kommen, wie von Bankern erhofft, liegt zu einem großen Teil an den Energiepreisen, vor allem am Rohöl. Zeitweilig war der Ölpreis je Barrel - der einmal bei rund 120 Dollar gelegen hatte - auf unter 30 US-Dollar gefallen. Barrel ist die in der Energiewirtschaft übliche Maßeinheit und entspricht 159 Litern. Seit dem vergangenen Sommer steigt der Ölpreis im Trend wieder. Ob dies dauerhaft der Fall sein wird, gehört zu den spannenden Fragen für die Zukunft der Weltwirtschaft.

Nach einer Durststrecke konnten die Ölpreise seit Mitte März kräftige Zugewinne verzeichnen. So stieg der Preis der Nordseesorte Brent wieder auf über 70 Dollar je Barrel. »Zahlreiche Gründe sprechen für eine Fortsetzung der Ölpreisrallye«, schreibt Jan Edelmann, Rohstoffanalyst der HSH Nordbank AG in seinem aktuellen Marktbericht. In der sehr kurzen Frist dürften vor allem »technische Indikatoren« für weiter steigende Preise sorgen, wie das Überschreiten der Marke von 71,05 Dollar-Marke - dem höchsten Stand seit Herbst 2014.

Solche »technischen« Argumente spielen für Investoren auf den Finanzmärkten eine große Rolle. Bei allem Auf und Ab sehen Branchenkenner einen allgemeinen Aufwärtstrend. Glauben viele Investoren an diesen Trend, fließt mehr Geld in »Öl«. Die Folge: Die Kurse steigen. Dabei wird weniger in »physisches« Öl investiert als vielmehr in Finanzprodukte, die auf die Ölpreisentwicklung wetten.

Solche Wetten wirken dann auf die Preise für echtes Öl zurück. Aber auch aufgrund »fundamentaler« Daten erwarten die NordLB-Experten steigende Ölpreise. Die Nachfrage sei im bisherigen Jahresverlauf aufgrund der Kälte in den USA und in Europa deutlich höher als erwartet ausgefallen. Gleichzeitig sei die Angebotsseite hinter den Erwartungen der Internationalen Energieagentur IEA zurückgeblieben. Das treibt die Preise nach oben.

Vor allem erwarten Analysten eine Fortsetzung der bisher »beispiellosen Disziplin« der OPECplus-Staaten. Gemeint sind die Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder und Russland. Diese hatten durch eine gemeinsame Drosselung der Fördermengen auf etwa 32 Millionen Barrel am Tag erst den Preisanstieg seit 2017 ermöglicht.

OPECplus dürfte seine Strategie fortsetzen. Der saudische Energieminister Khalid al-Falih bekräftige Ende Februar auf einer Pressekonferenz mit seinem russischen Amtskollegen Alexander Nowak in Riyadh, dass das Abkommen bis Jahresende in Kraft bleiben soll. Die Drosselung der Förderung um 1,7 Millionen Barrel pro Tag fängt das Produktionswachstum im US-Schieferölsektor bislang mehr als auf. Entsprechend erwarteten auch die Fachleute der NordLB weiter steigende Ölpreise: »Wir stufen den Sektor als ›positiv‹ ein.«

Langweilig wird es - wohl zum Ärger der Zentralbanker - dennoch nicht. Dafür sorgt die zunehmende »Volatilität«, das heißt, die Preise werden noch stärker schwanken als bisher - und damit unkalkulierbarer. Ein Grund dafür sind die normalisierten globalen Lagerreserven, die keinen ausreichenden Puffer mehr bereithalten, um mögliche Produktionsausfälle abzufedern.

Das größte Risiko für den Ölpreis sind die andauernden Handelsstreitigkeiten der USA mit dem Rest der Welt. Eine Verlangsamung der Handelsströme könnte die Ölnachfrage stark bremsen. Die Risiken, dass es zu solch einer Eskalation kommen wird, sehen viele Bankanalysten allerdings als gering an.

Inzwischen taucht auch auf dem aktiven Ölmarkt China auf. Bislang nur als wichtiger Abnehmer bekannt, startete Ende März mit großem Erfolg der erste Rohöl-Terminkontrakt an der Shanghaier Energiebörse (INE) in der chinesischen Währung Renminbi über 20 Millionen Barrel. Sollten dem Termingeschäft viele weitere folgen, so die Analysten der Commerzbank, würde China wie im Metallhandel weiter an Gewicht gewinnen. Und der US-Dollar entsprechend an Bedeutung verlieren.

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