Formfehler, Pfusch oder Absicht?

Hessische Mietpreisbremse für unwirksam erklärt

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Ärger und Debatten hat in Hessen ein Gerichtsurteil zur Mietpreisbremse in dem Sechs-Millionen-Land gesorgt. Die fragliche Verordnung der Landesregierung, mit der ein allzu hoher Kostenanstieg auf den angespannten Wohnungsmärkten verhindert werden soll, sei »nicht ordnungsgemäß begründet und ist deshalb unwirksam«, heißt es in einem dieser Tage verkündeten Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main.

Damit hob das Gericht eine auf Antrag eines betroffenen Mieters in der Bankenmetropole gefällte Entscheidung des Frankfurter Amtsgerichts vom Herbst auf. Der Betroffene hatte sich gegen die Höhe der vereinbarten Miete gewandt und betont, dass die Wohnung laut Hessens Mietbegrenzungsverordnung vom November 2015 in einem Gebiet mit »angespanntem Wohnungsmarkt« liege. Der Vermieter ging in Berufung und hatte Erfolg. Die Landesregierung habe 2015 entgegen der Anordnung zur Mietpreisbremse im Bundesgesetz nicht in einer offiziellen Begründung nachgewiesen, warum der Wohnungsmarkt so angespannt sei. Stattdessen habe sie zum Zeitpunkt der Verordnung nur einen Begründungsentwurf vorgelegt und die offizielle Begründung der Verordnung frühestens 2017 im Internet veröffentlicht. Eine Veröffentlichung im Gesetzes- und Verordnungsblatt sei aber nicht erfolgt, so das Landgericht.

Die Verordnung, nach der bei einem Mieterwechsel die neuen Mieten maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen dürfen, war Ende 2015 für 16 hessische Kommunen mit besonders angespannten Wohnungsmärkten erlassen worden. Die meisten dieser Kommunen liegen im Rhein-Main-Ballungsgebiet, wo die Mieten überdurchschnittlich angestiegen sind und erschwingliche Wohnungen immer knapper werden.

Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl kommt der Gerichtsbeschluss einer Schlappe für Hessens Landesregierung und besonders für Umwelt- und Bauministerin Priska Hinz (Grüne) gleich. »Ministerin Hinz und ihr Ministerium sind mit der Wohnungs- und Mietenpolitik komplett überfordert, die offensichtlich im Umweltministerium eine nachrangige Rolle spielt. Sonst könnten solche handwerklichen Fehler nicht passieren«, so Landtagsabgeordneter Hermann Schaus (LINKE). »Jetzt müssen die Mieter, denen seit 2015 überhöhte Mieten abverlangt wurden, auch noch die Zeche zahlen.«

Die ebenfalls oppositionelle SPD-Fraktion möchte die Angelegenheit am Donnerstag im zuständigen Landtagsausschuss zur Sprache bringen. Sie verlangt in einem dringlichen Berichtsantrag Auskunft darüber, »wie der Erlass der juristisch offenkundig leicht angreifbaren Verordnung im November 2015 organisiert war«. Es müsse »dringend aufgearbeitet werden, was wann und warum falsch gelaufen ist«, so der Abgeordnete Michael Siebel.

»War es peinliche Schlampigkeit oder Absicht?«, fragt Hessens Mieterbund. »Es ist schon sehr traurig, dass die Landesregierung nicht in der Lage ist, eine Verordnung mit ordnungsgemäßer Begründung rechtssicher zu verabschieden«, so Landesvorsitzender Wolfgang Hessenauer. Auch wenn die vom Bundestag beschlossene »Mietpreisbremse« nicht der große Wurf sei, müsse von einer Landesregierung erwartet werden, dass sie die dazugehörige Verordnung zum Schutz der Mieter vor überhöhten Mieten korrekt erlässt. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig sei, so könne es Maßstab für weitere Prozesse werden. »Aus diesem Grunde ist höchste Eile geboten, um die hessischen Mieter vor Schaden zu bewahren«, so Hessenauer.

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