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Die Hälfte aller Beschäftigten unter einem Dach

Die beiden größten dänischen Gewerkschaftsdachverbände schließen sich zusammen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sterne standen günstig, als am Freitag, den 13. April, ein historischer Beschluss der beiden größten dänischen Gewerkschaftsdachverbände gefasst wurde. Die Mehrheit der Delegierten auf den parallel tagenden Kongressen von LO und FTF entschieden sich, zum 1. Januar 2019 zu fusionieren. Damit werden 1,5 Millionen Arbeitnehmer erstmals in der Geschichte Dänemarks in einem Dachverband organisiert, die fast die Hälfte aller Beschäftigten ausmachen. Bei beiden Organisationen waren Zweidrittel-Mehrheiten notwendig, um die Fusion zu beschließen. Der Name der Organisation wird im Laufe des Jahres festgelegt.

LO und FTF sind bereits zwei Dachverbände, die 18 bzw. 80 Einzelgewerkschaften vereinen. Wie in Deutschland liegen die fachliche Arbeit und die Tarifverhandlungen bei den einzelnen Gewerkschaften, während politische Lobbyarbeit vom Dachverband geleitet wird. Der kleinere Verband FTF mit rund 450 000 Mitgliedern organisiert vor allem Beschäftigte des öffentlichen Diensts wie Krankenschwestern, Lehrer, Polizisten und die Finanzbranche. LO ist vorwiegend auf den privaten Arbeitsmarkt orientiert und organisiert unter anderem Metallarbeiter, aber auch viele Angestellte.

Bis zuletzt war unsicher, ob die Fusion die nötige Mehrheit bekommen würde, denn die größte Einzelgewerkschaft im LO, die sozialdemokratisch orientierte 3F, war dagegen. Hier war wenig Begeisterung zu spüren, künftig mit Bankleuten vereint zu sein. 3F verfügte über 105 der 400 Stimmen auf dem LO-Kongress, weshalb kurz vor Toresschluss ein Kompromiss gefunden werden musste. Nachdem 3F vier Forderungen in die Fusionsdokumente aufgenommen bekam, empfahl der Vorstand die Zusammenlegung.

Beim Parallelkongress FTF lösten die Forderungen längere Diskussionen aus. Denn dabei ging es darum, den neuen Dachverband politisch auf einen Mitte-Links-Kurs zu halten. 3F und LO stehen vor allem den Sozialdemokraten, aber auch anderen Linksparteien nahe, während FTF sich eher auf Distanz hält. Zudem soll der Zentralverband politische Arbeit vor Ort finanzieren sowie Organisationen weiterhin Zuschüsse geben, die bislang Gelder von LO erhalten. Dabei handelt es sich um einen Abendschulverband sowie das Arbeitermuseum in Kopenhagen. Als letztes setzte 3F eine finanzielle Kompensation für Extraausgaben durch, falls einzelne Gewerkschaften aus dem neuen Verband ausscheren wollen. Dies ist bis zum 30. Juni möglich und wird auf den Kongressen der Einzelgewerkschaften beschlossen. Insbesondere der Finanzverbund, aber auch einige kleinere FTF-Gewerkschaften werden als mögliche Ausstiegskandidaten betrachtet, die Aufnahme im Zentralverband der Akademiker suchen könnten.

Für die Industriegewerkschaften gibt es keine Alternative zum neuen Dachverband. Will man nicht alleine stehen, sind sie gezwungen zu bleiben. Mehrere kleinere Gewerkschaften hatten ihre Ablehnung deutlich gemacht und ein fast zehnjähriger Verlauf von der Idee zur Fusion zeugt von vielen Diskussionen und zähem Widerstand. Bedenken gab es wegen der Größe, die zu Trägheit führen könnte und der hohen Kosten. Vor allem aber hatten die kleineren Gewerkschaften Sorge, in der Großorganisation übertönt zu werden. Immer wieder wurde die Frage gestellt, welche gemeinsamen Interessen ein Rohrleger und ein Bankangestellter haben?

Aus diesem Grunde wurde der neue Dachverband als parteiunabhängig definiert, der in einer solidarischen und demokratischen Gesellschaft operiert und für Vollbeschäftigung unter geordneten Verhältnissen eintritt. Erste Vorsitzende wird die bisherige LO-Vorsitzende Lizette Risgaard werden. Sie wird nicht nur in Gewerkschaftskreisen, sondern weit darüber hinaus geschätzt. Wie bei jeder Fusion in der Privatwirtschaft wird auch die gewerkschaftliche Zusammenlegung doppelte Strukturen vereinen. Die Entlassung eines Viertels der Beschäftigten ist bereits beschlossene Sache.

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