Festival im Vagabundenzustand

Kommende Woche veranstaltet das Theater o.N. die Kindertheater-Reihe »Berliner Schaufenster«

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Theater o.N. hat diese Spielzeit bislang vor allem mit Gastspielen an anderen Orten in der Stadt bestritten. Die Ursache waren zunächst Unklarheiten über den Verbleib an der angestammten Spielstätte im Prenzlauer Berg, aktuell sind es Bauarbeiten. Das Festival »Berliner Schaufenster«, das Berliner Produktionen für Kinder ab zwei Jahren Alter zeigt und zugleich den internationalen Austausch in diesem noch jungen Subgenre stimulieren will, findet ebenfalls im Vagabundenmodus statt. Von Pankow über Lichtenberg bis Kreuzberg sind die Spielorte verstreut. Anlass für eine doppelte Entdeckungsreise: durch Berliner Kieze und in die Welt des Theaters für die Allerkleinsten.

Im Theater o.N. wird kräftig gewerkelt. Dicke Ballen Dämmmaterial liegen im Bühnenraum. Ein Bauarbeiter bringt die Metallrahmen an den Wänden an, in die die Dämmstoffe eingebracht werden. »Etwa 100 qm sind das insgesamt«, ruft er von der Leiter herunter. Zwölf Zentimeter Fläche von jeder Wand aus verliert das Theater an Platz durch die Schallisolation.

»Dadurch wird der Schlauch noch schmaler«, sagt Dagmar Domroes, Dramaturgin des o.N., und weist in den Raum des kleinen Theaters. Die Schallisolierung wurde notwendig, weil eine Verlängerung des Mietvertrages vonseiten der Vermieter davon abhängig gemacht wurde. Eine bange Weile lang war unklar, ob das Traditionstheater im Kiez bleiben kann. Eine Solidarisierungskampagne mit dem Theater hatte dann aber für Kompromissbereitschaft gesorgt. Mit den Umbauarbeiten ist der Verbleib für insgesamt fünf Jahre gesichert.

Als Spielort fiel die Bühne in dieser Saison aber aus. Und auch nach dem Einbau des Schallschutzes wird nicht alles sein, wie es einmal war. »Sonntags dürfen wir erst ab dem Nachmittag spielen, unsere wichtige Vorstellung um elf Uhr fällt weg«, bedauert Domroes. Der Sonntagmorgen ist traditionell Kindertheatertag. Familien haben Zeit. »Samstagsvormittags sind viele mit dem Einkauf beschäftigt.« Vielleicht geht es in Zukunft aber doch, Einkaufen und Theater miteinander zu vereinbaren. Dem kleinen Theater ist es jedenfalls zu wünschen. Bereits in den 80er Jahren war es im Kiez aktiv, damals als »theater zinnober«. Der Truppe gelang die Transformation nach dem Mauerfall. Und auch die Übergabe der Verantwortung von der Gründergeneration um Günther und Uta Lindner sowie Iduna Hegen an Domroes und ihre Kollegin Vera Strobel wurde erfolgreich praktiziert; so etwas klappt nicht bei jedem freien Theater gleich gut.

Seit etwa 2010 hat sich das Theater o.N. eine zusätzliche Expertise im Theater für die Allerkleinsten erarbeitet. Stücke für einjährige oder gar nur sechs Monate alte Kinder - anfangs stieß dieses Vorhaben vielfach auf Erstaunen. »Natürlich muss man da etwas anders arbeiten. Mit Narrationen kommt man nicht weit. Aber mit Bildern, Musik und Bewegung lässt sich auch für ganz junge Kinder ein Theatererlebnis kreieren«, sagt Domroes. Der Ehrgeiz der Macher ist aber auch, ebenfalls für die Eltern ein ästhetisches Erlebnis zu schaffen.

Als immer wichtiger hat sich im Laufe der Vorbereitungszeit herauskristallisiert, den reinen Schauspielmodus aufzubrechen und es den Kindern zu ermöglichen, eigene Erfahrungen mit den im Spiel benutzten Alltagsobjekten zu machen. Bis hin zu stark installativen Arbeiten, wie aktuell »Schnürchen«, verläuft diese Entwicklung. Darin werden die Klangqualitäten von Murmeln, einem Wasserglas und anderen Alltagsgegenständen sowie Papierobjekten erforscht (28.4., Ballhaus Ost, ab drei Jahre). Klassischer auf der Bühne angelegt ist »Klangquadrat« (28.4., Schaubude, ab zwei Jahre). Dabei agieren drei Spieler auf drei mal drei Farbflächen, von denen jede mit je einem Klang verbunden ist. Durch zuweilen sehr skurrile Bewegungen erzeugen sie dabei Melodien.

Das Kindertheater-Performancekollektiv Zirkusmaria ist beim Festival mit seiner ganz frischen Produktion »Zusammen« (26., 27.4., Theater Expedition Metropolis, ab vier Jahren) eingeladen. »Matti Patti Bu«, der Schattenspielklassiker vom Fliegenden Theater (drei bis sechs Jahre) wird vom 24. bis 26.4. in der Schaubude gezeigt. Und auch das Märchenmedley »Prinz Primel ist verschwunden« von der in letzter Zeit auf den großen Bühnen erfolgreichen Roscha A. Säidow wurde ins Programm aufgenommen (26., 27.4., Weites Theater, ab fünf Jahre).

Die Vorstellungen werden eingerahmt in ein Workshop- und Symposienprogramm (26. bis 28.4.), das internationale Theatermacher mit Erfahrungen im Theater für die Allerkleinsten vereint, aber auch offen ist für interessierte Künstler, die diesen Bereich erst noch für sich entdecken wollen. Drei Forschungslabore (27.4., ada studio) öffnen explizit den Blick in den zeitgenössischen Tanz und hin zum Neuen Zirkus. Der noch im Umbau befindliche Stammsitz des Theaters o.N. kann am letzten Tag des Festivals bei einem Brunch im Garten hinter der Baustelle besichtigt werden.

Weitere Infos: www.theater-on.de

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