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3,8 Milliarden fließen ins Nirwana

Mehr als zehn Prozent der DAX-30-Aktien haben keinen öffentlich zuordenbaren Besitzer

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschlands größte Aktiengesellschaften, die DAX-30-Konzerne können derzeit kräftig verteilen. Über 36 Milliarden Euro an Dividenden schütten sie für das abgelaufene Geschäftsjahr 2017 an ihre Eigentümer aus. Das sind 15 Prozent mehr als vor einem Jahr. Damals lag die Summe bei knapp 31,4 Milliarden Euro. Doch wer sind die Begünstigten? Wer hält das Stimmrecht und damit die ökonomische Gewalt über Deutschlands größte Unternehmen in seinen Hände?

Die Beraterfirma EY, vormals bekannt als Ernst & Young, analysiert alljährlich die Aktionärsstruktur der DAX-30-Unternehmen. Als Quellen dienen ihnen dafür unter anderem die Geschäftsberichte und Auskünfte der Unternehmen sowie der Deutschen Börse. Am Mittwoch veröffentlichte EY unter dem Titel »Wem gehört der DAX« seine Analyse für das Geschäftsjahr 2017. Das Ergebnis: Ausländische Investoren kaufen sich immer mehr in hiesige Unternehmen ein. Besaßen sie 2016 noch 52,4 Prozent der DAX-30-Aktien, so waren es mit 53,7 Prozent vergangenes Jahr 1,3 Prozent mehr. »Viele DAX-Konzerne sind inzwischen Weltunternehmen mit Hauptsitz in Deutschland - da sind eine steigende Bedeutung und ein zunehmender Einfluss ausländischer Investoren nur logisch«, sagt EY-Berater Mathieu Meyer.

Doch nicht nur der Einfluss des Kapitals aus dem Ausland hat zugenommen. Bei immer mehr Aktien ist der Eigentümer nicht öffentlich zuordenbar. Lag der Anteil dieser Aktien, bei denen man nicht genau weiß, ob sie sich im Ausland oder im Inland befinden, 2016 noch bei 9,9 Prozent, so waren es laut EY 2017 schon 10,5 Prozent. Dadurch entfallen 3,8 Milliarden Euro an Dividendenzahlungen an Eigentümer, die nicht ohne Weiteres identifizierbar sind. Vergangenes Jahr waren es noch 3,1 Milliarden Euro.

Zum einen können Aktien einem Besitzer nicht öffentlich zugeordnet werden, weil die Unternehmen etwa nur den Anteil der institutionellen Anleger wie Pensionsfonds angeben. Zum anderen befinden sich 82 Prozent der DAX-30-Aktien im sogenannten Streubesitz. Dies sind Anteilsscheine, die dem Börsenhandel zur Verfügung stehen, sich nicht in festen Händen von Großaktionären befinden, also vom breiten Publikum erworben und gehandelt werden können. So müssen Beteiligungen an einem Unternehmen erst der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gemeldet und öffentlich gemacht werden, wenn diese mehr als drei Prozent der Stimmrechte betragen.

Laut EY ist der Anteil der privaten Investoren mit rechnerisch elf Prozent deswegen auch systematisch zu niedrig ausgewiesen, »da sich private Anleger in Erhebungen zur Aktionärsstruktur ungleich schwerer identifizieren lassen als institutionelle Investoren«. Es sei daher davon auszugehen, dass ein größerer Teil der nicht zuzuordnenden Aktien im Besitz von Privataktionären ist.

Ein besonders krasses Beispiel ist der Immobilienkonzern Vonovia. Bei 47 Prozent der Aktien des Unternehmens konnten die Berater von EY nicht herausfinden, ob sie nun von ausländischen oder inländischen Investoren gehalten werden. Beim Chemieunternehmen Merck etwa sind es noch 31 Prozent und bei den beiden Autobauern Volkswagen und BMW jeweils 16 Prozent.

Indes ist mitunter auch nicht immer bekannt, wo im Ausland sich die Aktien befinden. EY unterscheidet in ihrer Untersuchung nur zwischen europäischem Ausland, Nordamerika/USA und dem Rest der Welt. Bei sechs der DAX-Konzerne ist von einem erheblichen Teil der im Ausland befindlichen Aktien der genaue Aufenthaltsort »nicht definiert«.

Dabei befindet sich so manche Aktie auch in einem Steuerparadies. Riskiert man zum Beispiel einen Blick auf die im Internet veröffentlichte Aktionärsstruktur der Deutschen Bank, so kann man sehen, dass der chinesische Investor HNA seine Anteile über einen Vermögensverwalter mit Sitz auf den Kaimaninseln hält. Zudem haben zwei weitere Firmen mit Sitz in einem klassischen Steuerparadies Anteile von jeweils knapp über drei Prozent an Deutschlands größtem Finanzinstitut.

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