Danke, Kollegah!

Jürgen Amendt über das Ende des Musikpreises Echo

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 4 Min.

Unter den Fans der beiden Deutsch-Rapper Kollegah (Felix Blume) und Farid Bang (Farid Hamed El Abdellaoui) macht derzeit folgende Geschichte die Runde: Kollegah und Farid Bang haben, als sie im vergangenen Jahr an ihrem Album »Jung, brutal, gutaussehend 3« (JBG3) arbeiteten, eine Wette abgeschlossen. Farid Bang sollte eine Zeile rappen, die ihn vor Gericht bringt.

Vor Gericht ist er nicht gelandet, jedenfalls nicht im juristischen Sinne. Ansonsten hat alles so geklappt, wie abgesprochen: Die inkriminierte Liedzeile, in der das Wort Auschwitz vorkommt, sorgte schon vor der Verleihung des Musikpreises »Echo« für Schlagzeilen. Der Bundesverband der Musikindustrie (BVMI) wurde aufgefordert, die Auszeichnung für die beiden Rapper zurückzunehmen. Das tat er bekanntlich nicht, und als Kollegah und Farid Bang nach der Preisverleihung auf der Bühne dann auch noch zu rappen begannen (allerdings formulierten sie die inkriminierte Liedzeile in Unverfängliches um), drehte sich das Skandal-Karussell weiter; ein »Echo«-Preisträger nach dem anderen gab seine Auszeichnung zurück. Die mediale Öffentlichkeit saß über die beiden Gericht, ganz so, als ob die Vorgängeralben von Kollegah, für die er in den Jahren 2015 bis 2017 jeweils mit einem »Echo« ausgezeichnet worden war, keine frauenfeindlichen, homophoben oder antisemitischen Inhalte enthalten hätten.

Zunehmend geriet in den vergangenen Tagen der »Echo« selbst in die Kritik. Schließlich wurde der Druck auf den BVMI übermächtig. Am Mittwoch erklärte der Verband das Ende des »Echo«. Dieser sei viele Jahre »ein großartiger Preis und zugleich zentrales Branchen-Event mit vielen bewegenden Momenten und herausragenden Künstlerinnen und Künstlern gewesen«, hieß es in einer Mitteilung des Verbandes.

Nun stecken in dieser Mitteilung eine falsche und eine richtige Aussage. Der Preis war ein Branchen-Event, aber um die Auszeichnung von Kunst ging es beim »Echo« seit seiner Gründung 1992 nie. Das Kriterium war nie die künstlerische Qualität der Musikinterpreten, sondern deren kommerzieller Erfolg. Solange der Rap nicht massenkompatibel war, war das auch kein Problem. Der Deutsch-Rap aber habe »das plumpe Beleidigen zur Kunstform erhoben«, schrieb kurz vor der »Echo«-Verleihung die Musikjournalistin Lili Ruge auf br.de. Und das kommt bei vielen offenbar an.

Warum Rapper wie Kollegah und Farid Bang in ihren Songs antisemitische Klischees bedienen, ist jedoch erklärungsbedürftig. Immerhin, so Ruge, gehörten »harte Beleidigungen« zwar zum Handwerk des Battle-Rap (in dem es darum geht, andere Rapper verbal zu provozieren), aber nicht alles, was von der Kunstfreiheit abgedeckt sei, müsse auch gesagt werden; dies werde auch von vielen Rappern so gesehen.

Eine Erklärung bietet die Rapperin Reyhan Şahin alias Lady Bitch Ray. Rap-Texte, die antisemitische Stereotype beinhalten, seien ein relativ junges Phänomen in diesem Musikgenre, schreibt sie in einem Gastbeitrag auf sueddeutsche.de. Der Rap sei lange Zeit auch in Deutschland nur die Musik der Unterschicht und von jungen Heranwachsenden gewesen. »So konnte sich unbeobachtet eine halb kriminelle Parallel-Community mit eigenem ›Ehrenkodex‹ bilden - oder zumindest eine, die so tut, als sei sie kriminell, weil das zum Bad-Boy-Image und zur Street Credibility gehört. Vieles davon war und ist natürlich nur Show. (…) Ganz offenbar reicht es den Bad Boys nicht mehr, ›Nutten und Mütter zu ficken‹ und ›Koks zu verticken‹, Rap-Texte scheinen inzwischen mit Judenfeindlichkeit, Islamismus und Verschwörungstheorien aufwarten zu müssen, um ihre Zielgruppe zu erreichen. Sonst schocken sie weder die jungen Käuferinnen und Käufer noch die weißen Männer aus der bürgerlichen Mittelschicht, die in den Plattenfirmen sitzen und solchen Künstlern eine Menge Geld für Musikproduktionen und Videos zahlen.«

Der Schock hat gewirkt und nebenbei auch jene befriedigt, die den »Echo« schon lange für einen überflüssigen, weil rein auf den Kommerz orientierten Preis hielten. Zynisch formuliert, müssten jetzt auch diese Kritiker des »Echo« sagen: Danke, Kollegah und danke, Farid Bang!

Allerdings sind nicht alle glücklich über das Ende des »Echo«. Martin Krüger, Präsident des Deutschen Musikrats, bedauert dessen Aus. Zumindest für Randsparten hätte man den Preis beibehalten sollen, meinte Krüger in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Der »Echo Klassik« und der »Echo Jazz« hätten erheblich dazu beigetragen, die beiden Sparten »über ihren angestammten Szenebereich hinaus« in der breiteren Bevölkerung zu verankern: »Die Echo-Klassik-Sendung war das meist wahrgenommene Klassik-Event Deutschlands, und es ist schade, dass es das so nicht mehr geben kann.« Krüger gehörte allerdings zu den Ersten, die einen Neuanfang für den Preis gefordert hatten. Schon wenige Tage nach der Preisverleihung am 12. April trat er aus Protest gegen die Ehrung für Kollegah und Farid Bang aus dem Ethik-Beirat des »Echo« zurück.

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